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Wirtschaft: Der Staat macht Kasse

Die Unternehmen zahlen wieder mehr Körperschaftsteuer – Finanzminister Hans Eichel will trotzdem ein neues Sparpaket auflegen

Von Antje Sirleschtov

Der wirtschaftliche Aufschwung sorgt in den öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Kommunen schon in diesem Sommer für deutlich mehr Steuereinnahmen. Und das, obwohl bisher nur die Exportbranchen boomen. Zieht zum Jahresende auch die Binnenwirtschaft nach – und davon gehen die Experten aus – kann sich Finanzminister Hans Eichel (SPD) nach Auffassung von Steuerschätzern im kommenden Jahr über noch mehr Geld freuen. Den ersten Begehrlichkeiten, nach all den knappen Jahren dann auch wieder den Geldhahn aufzudrehen, trat Eichel am Wochenende schon mal entgegen und kündigte im „Spiegel“ ein neues Sparpaket an.

Vor allem sind es die Unternehmen, die erstmals seit mehreren Jahren wieder stattliche Beträge bei den Finanzämtern abliefern, wenn sie Gewinne machen. Allein in Nordrhein-Westfalen kassierten die Finanzämter von Januar bis Juni gut 500 Millionen Euro Körperschaftsteuern von den Betrieben. Im vergangenen Jahr war die Situation eine ganz andere: Da hatte die Düsseldorfer Landesregierung um diese Zeit statt zu kassieren bereits 250 Millionen Euro an die Unternehmen des Landes ausgezahlt.

Ähnlich sieht es auch im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg aus. Dort zogen die Finanzämter bis Ende Juli 682 Millionen Euro und damit gut 100 Millionen mehr als im Juli 2003 ein. Selbst im Osten Deutschlands sprudeln die Steuerquellen, liefern die Betriebe Geld ab, wo sie vergangenes Jahr von den Finanzministern noch welches erhalten haben. Etwa in Sachsen-Anhalt, das Ende Juli ein Plus von 17,3 Millionen Euro meldet, nachdem im Juli 2003 den Betrieben des Landes bereits 43 Millionen ausgezahlt worden waren. Gesamtdeutsches Resumee des Bundesfinanzministeriums: „Bei der Körperschaftsteuer geht es ungebremst bergauf.“

Experten, wie der Berliner Forscher Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), machen für den Zuwachs der Körperschaftsteuereinnahmen allerdings nicht nur die Tatsache verantwortlich, dass die Konjunktur wieder anzieht. Insbesondere die Einführung der Mindestbesteuerung im deutschen Steuerrecht zum Jahresanfang, sagt Vesper, „zeigt erste Wirkung“. Und die liegt darin, dass sich die Unternehmen nicht mehr arm rechnen können, wenn sie Gewinne machen. Wie Balsam klingt das vor allem für die Sozialdemokraten, die jahrelang mit ansehen mussten, wie die Vorstände ihre Gewinne clever und ganz legal, mit den Verlusten aus grauen Vorzeiten verrechnet und am Ende keinen Cent Steuern gezahlt haben. Bis zu zwölf Milliarden Euro Körperschaftsteuer erwartet Vesper in diesem Jahr in den öffentlichen Kassen, nach acht Milliarden Euro in 2003. Er hält es sogar für möglich, dass schon kommendes Jahr zwei Drittel oder noch mehr des Potenzials von 20 Milliarden Euro ausgeschöpft wird – zur Freude der Finanzminister, aber auch zum Nachteil der Unternehmen.

Noch nicht ganz so rosig sieht es bei den klassischen konjunkturbedingten Steuerarten, der Lohnsteuer und der Umsatzsteuer, aus. Zwar stagnieren die Umsatzsteuereinnahmen sowohl in Nordrhein-Westfalen (vier Milliarden Euro bis Juni) und Baden-Württemberg (drei Milliarden Euro bis Juli), von der viel zitierten Zurückhaltung der Konsumenten ist hier nicht viel zu sehen. Aber Zuwächse gibt es eben auch noch nicht. Bei der Lohnsteuer ist das ein Zeichen, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt noch nicht angekommen ist und sich die Löhne und Gehälter kaum erhöht haben. Allerdings: Für Kristina van Deuverden, Steuerexpertin beim Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gibt es keinen Zweifel daran, dass sich diese Entwicklung spätestens im nächsten Jahr zum deutlich Besseren wenden wird. Denn die Exportnachfrage, sagt sie, springt irgendwann auf den Binnenmarkt über und dann klingelt es auch in den Lohn- und Umsatzsteuerkassen wieder lauter. Hans Eichels Finanzbeamte sind bei solchen Prognosen natürlich zögerlicher. „Abwarten“, heißt es in seinem Ministerium. Denn im Herbst beginnen die Haushaltsverhandlungen für 2005. Und allzu viel Optimismus bei den Einnahmen könnte dann nur zu leicht in einen Ausgabenrausch umschlagen.

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