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Wirtschaft: Der Stabilitätspakt bröckelt

EU-Kommission zieht Aufweichung in Betracht/Minister Eichel will bei schwächerem Wachstum Schulden erhöhen

Berlin (ce/fw). Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Europäische Stabilitätspakt im Falle eines IrakKrieges aufgeweicht wird. Auch die EU-Kommission schließt dies nicht aus. Brüssel werde im Falle eines Krieges „alle Maßnahmen prüfen, die angemessen sind“, sagte eine Kommissionssprecherin am Dienstag dem Tagesspiegel. Der Stabilitätspakt „biete die nötige Flexibilität, um in einer solchen Situation angepasst zu werden.“ Medienberichten zufolge verhandeln Deutschland, Frankreich und Großbritannien für den Kriegsfall bereits über eine Lockerung des Paktes. Das Bundesfinanzministerium dementierte dies jedoch am Dienstag.

„Es gibt keine Initiative, den europäischen Wachstums- und Stabilitätspakt zu lockern“, sagte ein Sprecher von Finanzminister Hans Eichel am Nachmittag. Eichel wolle lediglich mit Großbritannien und Frankreich darüber beraten, wie in Europa nachhaltiges Wachstum erreicht werde. Auch im Ministerium verweist man allerdings darauf, dass der Pakt für „außergewöhnliche Umstände“ eine Klausel enthält, die einen flexibleren Umgang mit den Regeln erlaubt. Dafür ist jedoch die Zustimmung des Rats der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (EcoFin) notwendig. Abends sagte Finanzminister Eichel in der ARD, dass man im Falle eines noch schwächeren Wirtschaftswachstums die Staatsverschuldung erhöhen werde. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zum EU-Stabilitätspakt.

Im europäischen Stabilitätspakts steht: Sollte ein „außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedsstaats entzieht“, dazu führen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,75 Prozent schrumpft, darf sich ein Mitgliedstaat höher verschulden als die drei Prozent des BIP, die der Vertrag erlaubt. Gegen Deutschland läuft bereits ein Defizitverfahren, weil es im Jahr 2002 neue Schulden von 3,75 Prozent des BIP gemacht hat. Die EU-Kommission geht davon aus, dass Deutschland die Grenze auch 2003 reißen wird.

Die Ausnahmeklausel im Kriegsfalle könnte Deutschland ein erneutes Strafverfahren ersparen. „Genau das haben die deutschen Politiker im Kopf“, sagt Daniel Gros, Direktor des Centre of European Policy Studies in Brüssel, dem Tagesspiegel. Sie wollten nicht nur die Ausnahmeklausel in Kraft setzen, sondern den Krieg zu einer allgemeinen Aufweichung des Stabilitätspaktes nutzen.

In Eichels Umgebung heißt es, wenn es als Folge eines Irak-Krieges zu einem schweren Konjunktureinbruch kommen sollte, müssten die Industriestaaten gemeinsam darauf reagieren. Beim Treffen der sieben größten Industriestaaten (G7) in der kommenden Woche in Frankreich stünde das Thema „fest auf der Tagesordnung“. Gemeinsam müsse man überlegen, ob eine drohende Rezession auch mit „Strohfeuern“ gemildert werden könne. Nationale Ausgabenprogramme zur Konjunkturbelebung würden allerdings verpuffen, heißt es im Finanzministerium. Die Bundesrepublik hätte daher im Alleingang nur sehr begrenzte Möglichkeiten, den Konsum zu fördern oder die kommunalen Investitionen anzukurbeln. „Sollte es schlimmer kommen, dann werden wir uns nicht kaputt sparen“, heißt es im Ministerium. Die SPD-Linke hatte in einem Strategiepapier einen „Kurswechsel in der Finanz- und Wirtschaftspolitik“ gefordert. Zur Belebung der Wirtschaft sollte unter anderem die Steuerreform vorgezogen werden. Auch die Gewerkschaften fordern Ausgabenprogramme.

DGB-Chef Michael Sommer will die Wirtschaft mit Investitionsprämien beleben. „Für jede im Vergleich zum Vorjahr überdurchschnittliche Neuinvestition gibt es zehn Prozent Prämie nach dem Windhundverfahren, also eine begrenzte Summe. Wenn der Bund zwei Milliarden Euro einsetzt, könnte er 20 Milliarden Euro Investitionen bewegen“, sagte Sommer dem Tagesspiegel.

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