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Richard Yu, CEO des Mobilfunk-Konzerns.

© Josep Lago/AFP

Der Technologieriese aus China: Gefahr oder Partner - wie Huawei die deutsche Politik bearbeitet

In den USA gilt der chinesische Konzern Huawei als Staatsfeind. Anders in Berlin und Brüssel. Das Engagement des Technologieriesen dort könnte sich auszahlen.

Unter den Linden: Ein paar Minuten Fußweg vom Reichstag entfernt liegt auf der Allee der Lobbyisten das Berliner Büro eines Weltkonzerns. Hier arbeiten deutsche Sinologen, Politikprofis und Kommunikationsexperten daran, Deutschland die Angst zu nehmen: die Angst vor China und seinen Unternehmen. Das wird nicht ganz leicht. „Huawei“ steht auf dem Klingelschild.

Der Technologieriese befindet sich gerade im Auge eines politischen Sturms, bei dem es längst um mehr geht als um das neue 5G-Netz, das Deutschland in die digitale Zukunft katapultieren soll – und für das Huawei gerne Technik liefern würde.

Es geht um Spionagevorwürfe, Verbindungen zur Kommunistischen Partei und nicht zuletzt darum, welche Supermacht die Bundesregierung eher vor den Kopf stoßen wird: die der Vergangenheit oder die der Zukunft, Amerika oder China. Bereits in den nächsten Wochen will die Regierung entscheiden, ob und wie sich der Konzern am 5G-Geschäft beteiligen darf.

Im Huawei-Hauptstadtbüro hängt gleich hinter dem Eingang eine Bildergalerie. Zu sehen sind Manager des größten chinesischen Konzerns hierzulande mit Bundestagsabgeordneten fast aller Parteien und mit Ministern. Ein Foto mit Angela Merkel im Kanzleramt hängt auch da.

Die meisten Bilder stammen von Parteitagen, auf denen Huawei ein beliebter, weil zahlender Stammgast ist. Verkehrsminister Andreas Scheuer etwa, der auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist, schaute erst vor gut einer Woche während des CSU-Parteitags in München beim Huawei-Stand vorbei und schien gut gelaunt.

Trotz des aktuellen Gegenwinds: das Geschäft boomt

Schnappschüsse aus dem Weißen Haus wird es so bald nicht geben. In Washington ist Huawei unerwünscht, erst recht seit Donald Trump der Volksrepublik den Handelskrieg erklärt hat. Geheimdienste wie die Abhörbehörde NSA warnen vor chinesischer Telekommunikationstechnik: Diese könne für Datenklau und Spionage missbraucht werden. Seine Lobbyisten in den USA hat Huawei längst abgezogen, so aussichtslos erschien ihre Mission.

Ganz anders ist da die Lage in Deutschland und der EU. In Brüssel lädt Huawei in der nächsten Woche zu einer Sause, die zu den opulenteren gehört in einer Stadt, die nicht gerade arm an Dinnerpartys ist. Hunderte Gäste werden im Ballsaal der „angesagtesten Location der Stadt“, dem Concert Noble, das chinesische Neujahrfest feiern, und zwar in Fußnähe von Kommission und Parlament.

Die Rechnungen für die in Brüssel beliebten Partys dürfte Huawei aus der Portokasse bezahlen. Trotz des aktuellen Gegenwinds boomt das Geschäft bislang. Huawei verkaufte vergangenes Jahr 200 Millionen Smartphones, mehr als Apple, und lieferte Tausende 5G-Basisstationen in alle Welt. Der Umsatz kletterte auf 109 Milliarden Dollar, ein Plus von 20 Prozent. Noch läuft es auch in Deutschland rund, wo Huawei nicht nur Handys vertreibt, sondern auch die Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone mit Technik beliefert – also alle Mobilfunkriesen.

In Deutschland hat der Konzern 2500 Mitarbeiter

Lange machte die Bundesregierung keine Anstalten, den Konzern zu bremsen. Beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union Anfang Oktober schaute auch die Kanzlerin wieder bei Huawei vorbei – ein neues Bild für das Fotoalbum mit den Mächtigen entstand. Merkel kennt Huawei ohnehin ganz gut, sie war erst letztes Jahr in Shenzhen, wo Huaweis Aufstieg begann.

Die Hightech-Metropole ist längst ein Pilgerort für deutsche Politiker, die etwas für die Digitalisierung in der Heimat lernen wollen. Und als sich die deutsche Cybersicherheitsbehörde BSI kürzlich mit Unternehmen über die neuen 5G-Netze beraten hat, saß, wie fast immer, auch Huawei mit am Tisch.

Nicht immer gibt sich Deutschland so offen, wenn das Reich der Mitte anklopft. Als der chinesische Energieriese SGCC beim Stromnetzbetreiber 50Hertz einsteigen wollte, schlug die Bundesregierung rasch die Tür zu und änderte eilig Gesetze. Ein Grund: Der Staatskonzern ist eine undurchschaubare Black Box. Selbst Fachpolitiker mussten erst mal googeln, wofür die Abkürzung steht.

Huawei ist da ganz anders unterwegs. Vor der Europazentrale in Düsseldorf flattern Huawei-Flaggen unübersehbar im Wind. Es ist nur einer von 18 Standorten in allen Regionen Deutschlands. 2500 Mitarbeiter hat der Konzern hierzulande eingestellt. Einer von ihnen ist Carsten Senz. Der 45 Jahre alte Sinologe hat länger in China gearbeitet und kümmert sich seit acht Jahren um Huaweis Beziehungen zur deutschen Regierung.

„Noch vor ein paar Jahren mussten wir erst mal erklären, was Huawei eigentlich macht“, erzählt Senz. „Heute kennen die meisten Politiker die Marke wegen der Smartphones und aus der Werbung, etwa beim Fußball, oder die Plakate am Flughafen Tegel.“ Aber dass Huawei kein Staatsunternehmen sei, sondern ein privates, und vollständig den Mitarbeitern gehört, das wüssten die wenigsten.

Deutsche Universitäten reißen sich um eine Zusammenarbeit

„Das böse Vorurteil, dass wir morgens aus Peking unsere Tagesbefehle bekommen, höre ich manchmal noch, zwar nicht in den Ministerien, aber bei Abgeordneten müssen wir da noch Aufklärungsarbeit leisten. Dafür nutzen wir jede Gelegenheit, etwa bei den Parteitagen, wo wir schon seit Jahren hingehen. Da sind ja auch immer viele Journalisten unterwegs, das ist also nicht gerade konspirativ, was man Lobbyisten ja gerne nachsagt.“

In Deutschland sind viele Top-Manager von Huawei Europäer. „Es ist leichter, Deutsche zu finden, die China genug verstehen, um hier politisch als Dolmetscher zu agieren, als Chinesen, die sich auf dem politischen Parkett in Brüssel und Berlin wohlfühlen“, sagt Senz.

Da müsse er auch den eigenen Kollegen manches erklären. „Unsere Leute reden am liebsten über Technik. Die politische Dimension unseres Geschäfts überrascht so manchen, ist aber in den letzten Wochen offensichtlich geworden.“ Huawei konzentriere sich auch bei der Ansprache an die Politik aber auf technische Aspekte.

In München steht das europäische Forschungszentrum von Huawei, das zuletzt mehr Patente produzierte als jeder andere Konzern auf dem Kontinent. Siemens etwa, der Inbegriff deutscher Innovationskraft, konnte nicht mithalten.

Sein Know-how öffnet Huawei seit Jahren die Türen. Universitäten wie die RWTH Aachen oder Forschungsinstitute wie die Fraunhofer-Gesellschaften reißen sich darum, mit Huawei zu arbeiten. Das schafft Vertrauen auf Expertenebene – und öffnet weitere Türen. Wie kein zweiter Konzern aus China nutzt Huawei die Möglichkeiten, die ihm die auf Zusammenarbeit angelegte deutsche Wirtschaft bietet.

Im Land der Vereine und Verbände werden Weichen oft in Arbeitskreisen und Fachgremien gestellt, deren Aufgaben selten sexy, aber vielfach doch wichtig sind: Die Politik übernimmt vor allem beim Kleingedruckten oft die Empfehlungen der Spezialisten.

Huawei betreibt "softes Lobbying"

Beim Lobbyverband Bitkom leitet Huawei den „Arbeitskreis Kommunikationstechnologien“. Bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Acatech) sitzt Huawei im Senat neben einheimischen Platzhirschen wie BASF, Bosch und BMW. Im Wirtschaftsrat Deutschland und der Allianz für Cybersicherheit mischt Huawei ebenso mit. Und das ist nur ein kleiner Auszug aus der Liste.

In Brüssel zählt die Organisation LobbyControl rund ein Dutzend Mitgliedschaften von Huawei in Lobbyverbänden. 43 Treffen zwischen dem Unternehmen und der EU-Kommission sind dokumentiert, darunter drei mit EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU).

„Das ist eine überraschend hohe Zahl an Treffen, zumal für ein chinesisches Unternehmen, das erst seit 2013 in Brüssel aktiv ist“, sagt Nina Katzemich, Expertin bei LobbyControl. Zwei bis drei Millionen Euro gebe Huawei jährlich für Lobbyarbeit aus

„Interessant ist, dass Huawei seit dem Auftauchen auf der EU-Bühne scheinbar genau wusste, wo es sich lohnt, Mitglied zu werden, und welche Beamten der Kommission man treffen muss. Sie haben Europäer angeheuert, die bestens verdrahtet sind und ihren Job verstehen.“

Während deutsche Autokonzerne oft einzelne EU-Gesetze beeinflussen wollten, gehe es Huawei mehr darum, politische Landschaftspflege zu betreiben. „Softes Lobbying“ sei das, so Katzemich. „Sie stellen sicher, dass jeder sie kennt. Mächtige Verbände wie Business Europe mit direktem Draht in die Kommission sorgen dann mit dafür, dass ihre Interessen in den politischen Prozess fließen.“

Die deutsche Wirtschaft steht zu dem Konzern

„Guanxi“ nennen Chinesen das, was im Deutschen „Vitamin B“ ist: persönliche Netzwerke. In der aktuellen Krise könnten die sich noch auszahlen. Denn seit die Spähvorwürfe gegen China lauter werden, die Huawei-Finanzchefin in Kanada festgenommen wurde, Australien den Anbieter verbannte und ein Konzernmanager in Polen unter Spionageverdacht steht, werden auch hierzulande die kritischen Stimmen zahlreicher.

„Gefährlich naiv“ sei der Umgang mit Huawei, kritisiert etwa Konstantin von Notz, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag und Mitglied im Kontrollgremium für die Nachrichtendienste. Die Regierung gefährde die Sicherheit digitaler Infrastrukturen, warnt der Geheimdienstexperte.

Die deutsche Wirtschaft dagegen steht zu Huawei. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fürchtet eine Vorverurteilung. Es dürfe kein Wettbewerber wegen des bloßen Verdachts ausgeschlossen werden, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf: „Wenn es jemanden gibt, der solche Mutmaßungen aufstellt, dann hat er auch die verdammte Pflicht, diese Mutmaßungen auch zu beweisen.“

Mit offenem Visier ins mediale Getümmel

Die Mobilfunkanbieter würden ohnehin am liebsten weiter mit den Chinesen zusammenarbeiten, denn deren Technik gilt als gut und günstig. Zwar gibt es auch noch Ericsson aus Schweden und Nokia aus Finnland, aber wenn der Marktführer Huawei wegfiele, würden die Preise steigen. Zudem sind die Chinesen technologisch den Europäern inzwischen ein Stück weit enteilt, heißt es in der Branche. Und Deutschland hat bei der Digitalisierung eher Aufholbedarf.

Huawei selbst stürzt sich – auch eher untypisch für ein chinesisches Unternehmen – aktuell mit offenem Visier ins mediale Getümmel. Wie viel sich der Konzern vom deutschen Markt verspricht, zeigte Firmenchef Eric Xu vor einer Woche in der Zentrale in Shenzhen. Extra eingeladen waren deutsche Journalisten, denen Xu versicherte, dass Huawei „unter Aufsicht“ der deutschen Mobilfunkbetreiber arbeite, die das 5G-Netz bauen und betreiben werden. Zudem überprüfe das BSI in einem eigens eingerichteten Sicherheitslabor in Bonn die Technik.

Selbst der öffentlichkeitsscheue Firmengründer Ren Zhengfei meldete sich zu Wort: „Ich liebe mein Land, ich unterstütze die Kommunistische Partei, aber ich werde niemals etwas tun, was irgendeinem Land in der Welt schadet.“ Die Chancen stehen nicht schlecht, dass seine Worte in Berlin Eindruck machen.

Mitarbeit: Lulu Ning Hui

Dieser Text erschien am 29. Januar 2019 auch in Agenda, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag veröffentlicht wird.

Felix Wadewitz

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