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Wirtschaft: Der unglückliche Kapitalismus

Deutsche-Bank-Studie: Deutschland ist unzufrieden

Berlin - Geld allein macht nicht glücklich. Das gilt für den Einzelnen, lässt sich aber auch auf ganze Volkswirtschaften übertragen. Wirtschaftswachstum allein, so müsste es dann heißen, macht die Bürger eines Landes noch nicht glücklich. Ein gutes Beispiel dafür sind wir selbst – die Deutschen. Glaubt man den Ökonomen der Deutschen Bank, dann leben wir Exportweltmeister in einer „weniger glücklichen Variante des Kapitalismus“. Die Australier zum Beispiel sind glücklicher, aber auch unsere Nachbarn in Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz. Portugiesen, Italiener und Griechen hingegen blasen Trübsal. Warum?

Stefan Bergheim, Volkswirt bei DB Research, hat in einer aktuellen Studie 22 reiche Industrienationen verglichen und in vier Varianten des Kapitalismus eingeordnet. Neben drei Abstufungen des kapitalistischen Glücks fand er eine vierte, ostasiatische Variante, die er Japan und Korea zuwies.

Geleitet wurde Bergheim von der Erkenntnis der Glücksforschung, wonach sich in den Wohlstandsnationen die Prioritäten verschieben. Ein hohes Pro- Kopf-Einkommen wird nicht mehr als Allheilmittel betrachtet. Das Vertrauen in die Mitmenschen, eine niedrige Korruption und Arbeitslosigkeit sind ebenso wichtig wie wenig Schattenwirtschaft, wirtschaftliche Freiheit oder eine hohe Geburtenrate. Dabei räumt die in Mode gekommene Forschungsdisziplin mit einem Paradigma der Mainstream-Ökonomie auf: Die Präferenzen der Menschen sind nicht konstant, sondern sie hängen vom jeweiligen Umfeld ab. Dennoch lässt sich Lebenszufriedenheit messen. Glücksfördernde Faktoren werden identifiziert und verglichen. Dabei gilt: Kapitalismus ist nicht gleich Kapitalismus. Die Unterscheidung zwischen angelsächsischem, skandinavischem und rheinischem Kapitalismus hat mit Blick auf die Zufriedenheit der Menschen ausgedient.

„Die Philosophen sind besorgt, dass nun auch die Ökonomen das Thema Glück entdecken“, sagte Bergheim am Mittwochabend in Berlin. „Aber so sind wir nun mal.“ Heraus kam bei seiner Analyse ein für Deutschland eher tristes Bild. Zwar sind die Einkommen und das Bildungsniveau hoch. Eine niedrige Geburtenrate, ein regulierter Arbeitsmarkt und ein eher geringes Maß an wirtschaftlicher Freiheit machen – so DB Research – die Deutschen aber unglücklich. Auch das Renteneintrittsalter, das auf 67 steigt, fördert nicht die Zufriedenheit. Bergheim: „Glückliche Menschen gehen später in Rente.“

Als glücklichste Industrienationen ermittelte DB Research Australien. Botschafter Ian Kemish führt das unter anderem auf das Selbstbewusstsein in Down Under zurück. „Die Deutschen unterschätzen, was sie erreicht haben“, sagte er. „Sie sehen sich selbst zu kritisch.“ Dennoch sei das Land sehr gastfreundlich. Kemish machte diese Erfahrung jüngst bei einem Besuch in der Geburtsstadt seiner Vorfahren – im niedersächsischen Glücksstadt.

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