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Lernen per Mausklick. Wer sich neben dem Beruf weiterbildet, profitiert von Angeboten, die nicht nur auf Präsenzveranstaltungen setzen. Seminare online anschauen, Lerngruppen im Netz – der persönliche Bezug wird trotzdem gewährleistet. Foto: ddp/Patrick Fox

© ddp

Wirtschaft: Der virtuelle Professor

Der E-Learning-Markt wächst, viele Angebote vernetzen Online- und Präsenzphasen. Was diese Mischung bringt und woran man gute Programme erkennt.

Sie sollten das Lernen revolutionieren – und verstaubten doch oft in den Regalen. Um die Jahrtausendwende herum mussten viele Unternehmen und Anbieter die Erfahrung machen, dass die zu Weiterbildungszwecken eingekauften CD-Roms und produzierten Programme auf die Mitarbeiter keineswegs unwiderstehlich wirkten. Das Interesse, allein vor dem Rechner neue Inhalte zu pauken, war gering.

Dabei galt das E-Learning, also das elektronisch unterstützte Lernen, in den neunziger Jahren als neuer Hoffnungsträger im Bildungsbereich. Ein Hoffnungsträger, dem allerdings der Charme fehlte. „Von der Lernmotivation her war das zu wenig“, sagt Ulf-Daniel Ehlers, Vizepräsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und Experte für E-Learning.

Inzwischen hat sich diese Technik sozusagen sozialisiert, sie tritt meist in Form von Blended-Learning-Angeboten auf, die traditionelle Präsenzphasen mit computer- und webbasierten Einheiten verknüpfen. Ulf-Daniel Ehlers findet, dass Deutschland in Sachen E-Learning heute gut dasteht – dank der Infrastrukturausstattung und den Bildungsanbietern.

Dass die Nachfrage nach E-Learning-Angeboten weiter zunimmt, belegt der jährlich im Herbst erscheinende Branchenreport des MMB-Instituts für Medien- und Kompetenzforschung. Nach dessen Angaben ist der Gesamtumsatz der E-Learning-Anbieter von 2009 auf 2010 um knapp fünf Prozent gestiegen: auf 348 Millionen Euro.

Für Ulf-Daniel Ehlers gehören heute die Vernetzung und der Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern zu den wichtigsten Aufgaben dieser Lernform. Das bestätigt auch Michael Härtel vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Er beobachtet, dass die mit dem Internet aufgewachsenen Jugendlichen auch im Rahmen ihrer Berufsausbildung sehr gerne elektronische Lernangebote nutzen. Und Ausbildungsbetriebe, die auf E-Learning setzen, für diese Gruppe attraktive Arbeitgeber sind. „Die Jugendlichen wollen ihre Online-Kenntnisse auch im Beruf anwenden und keinen Ausbilder, der erstmal ihre Handys einsammelt.“

Online austoben können sich die Jugendlichen etwa durch virtuelle Berichtshefte. „Für die Jugendlichen ist es selbstverständlich, diese Blogs online zu pflegen, und Ausbilder haben die Möglichkeit, dort Kommentare einzubinden.“

Das virtuelle Vernetzen spielt auch in der Weiterbildung eine immer größere Rolle. „Die Betreuung durch einen Tutor ist dabei selbstverständlich.“ Es kommt also auch während des Fernlernens auf den persönlichen Bezug zum Lehrenden an, der die Biografie des Teilnehmers kennt und auf die individuellen Fragen und Probleme eingehen kann. Und auf virtuelle Chat- oder Klassenräume, in denen sich die Teilnehmer zum Gedankenaustausch „treffen“ können.

Für Michael Härtel ist das E-Learning mittlerweile Teil des normales Medienmixes – und eine zusätzliche Kulturtechnik. Durch das Mobile Learning, also die Wissensvermittlung durch Tablet-Geräte und Smartphones, mit denen man auch im Bus kleine Lernhäppchen aufnehmen kann, werde diese Entwicklung noch weiter beschleunigt. Eines hat sich jedoch auch durch das E-Learning nicht geändert: „Weiterbildung ist ein Kraftakt, sowohl auf der Schulbank als auch vor dem Rechner“, sagt Michael Härtel. Wer sich etwa zum Meister oder Fachwirt weiterqualifiziere, brauche Disziplin. Und Lehrer, die mit der Wissensvermittlung umgehen können.

Mit den Dozenten, die diese Wissensvermittlung leisten sollen, beschäftigt sich Nicolas Apostolopoulos, der Leiter des Centers für digitale Systeme (Cedis) an der FU Berlin. „Unsere Teilnehmer kommen vor allem aus den Hochschulen, es gibt aber auch Unternehmen, die uns ihre Mitarbeiter schicken.“ Für externe Interessenten, die als Seminarleiter, Dozenten oder Trainer in der Aus- und Weiterbildung tätig sind, hat Cedis eine Qualifizierung zum E-Trainer im Angebot.

In diesen Kursen lernen die Teilnehmer ganz praktisch, Lernplattformen und Web 2.0-Anwendungen in Blended-Learning-Veranstaltungen einzusetzen. Sie erfahren, wie multimediale Lerninhalte erstellt werden oder man virtuelle Gruppenarbeiten durchführt. Und auch, wie man das richtige Verhältnis zwischen Präsenz- und Online-Phasen findet.

„Der Dozent muss sich gut überlegen, welche Inhalte er in den Präsenzphasen vermitteln will“, sagt Nicolas Apolstolopoulos. „In diesen Phasen sind die Diskussionen sehr wichtig, und der Dozent hat eine kommentierende und unterstützende Funktion.“

Blended Learning macht die Weiterbildung flexibler: Es ersetzt das „Lernen auf Vorrat durch das Learning on demand“, sagt Wolfgang Kraemer, Vorstandsvorsitzender der IMC AG, einem Service- und Technologieanbieter für E-Learning und neue Medien. So könnten Wissensbedarfe „unternehmensweit, schnell und sicher durch die Bereitstellung einer Vielzahl von digitalen Lernformaten zielgerichtet und effizient bedient werden.“ Zum Beispiel durch Lernvideos oder Apps.

„Anstatt Monate auf den nächsten freien Schulungstermin im weit entfernten Seminarhotel zu warten, sind die digitalen Lerninhalte nur einen Mausklick entfernt im Learning Management System des Unternehmens verfügbar“, ergänzt Kraemer, der auch im Branchenverband Bitkom aktiv ist, im Arbeitskreis Learning Technologies.

Michael Cordes von der Stiftung Wartentest beschreibt einen weiteren Vorteil des E-Learning: „Jeder hat die Möglichkeit, autonom und in verschiedenen Lebensphasen zu lernen und sich weiterzubilden.“ Dennoch schöpften viele Programme ihr technisches und kommunikatives Potenzial noch längst nicht aus. Damit die Lernenden die Angebote besser einordnen können, hat die Stiftung Warentest einen Leitfaden zum E-Learning entwickelt. Darin wird etwa erklärt wird, wie Wikis, Blogs und soziale Netzwerke zur Weiterbildung genutzt werden können. In diesem Heft hat die Stiftung auch Kriterien für einen guten Online-Kurs aufgelistet: „Die Anbieter sollten alle wichtigen Infos rund um die Veranstaltung angeben.“

Und auch klarstellen, wie bei mehrmonatigen Fernlehrgängen die individuelle Betreuung, Lern- und Motivationsprobleme organisiert werden. Wichtig sei aber auch, ob ein Austausch mit anderen Lernenden geplant ist und ob es eine Demo-Version gibt, über die man Probelektionen abrufen kann. Bevor man sich auf den nächsten „Kraftakt“ einlässt.

Der Leitfaden der Stiftung Warentest zum E-Learning zumkostenlosen Download: http://www.test.de/Leitfaden-Weiterbildung-E-Learning-1428845-2428845/

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