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Der Westen als Verlierer: Generalangriff auf Demokratie und Marktwirtschaft

Wie indische und chinesische Wirtschaftsexperten beim gemütlichen Kaminplausch einen Generalangriff auf Demokratie und Marktwirtschaft starteten.

Der weißhaarige, schlanke Mann hat vollendete Manieren, spricht mit sanfter Stimme perfektes Englisch - und analysiert im nüchternen Ton des Wissenschaftlers den Niedergang des Westens. "Es gab drei entscheidende Momente in der Nachkriegsgeschichte: 1956 brachte die Suez-Krise das Ende des britischen Empires, 1989 der Fall der Berliner Mauer das Ende der Sowjetunion und 2008 die Finanzkrise das Ende des amerikanischen Finanzimperiums", doziert Nasser Saidi.

Er hat in den USA und England studiert, war Wirtschaftsminister im Libanon und ist jetzt Chefökonom der Behörde, die das Finanzzentrum Dubais steuert, und Berater des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Die USA haben einen Zombie-Bankensektor kreiert, der eine Zombie-Wirtschaft geschaffen hat", legt er nach.

Chinesischer Spott für die USA

Mit dieser Meinung steht er nicht allein da an diesem Kaminabend im gediegenen Grandhotel Schloss Bensberg bei Köln. Vor einer elitären Schar von Bankern, Managern und mittelständischen Unternehmern schockieren Ökonomen und Investoren aus aufstrebenden Schwellenländern mit einem schonungslosen Blick auf die Verlierer der Krise. Man hört, wie die Lacher im Publikum mit der Zeit immer befangener werden.

Er verstehe gar nicht die Diskussion über einen drohenden Rückfall der USA in die Rezession - sie seien doch noch gar nicht herausgekommen, spottet Wei Ding, der drei Jahre lang China-Chef der Deutschen Bank war und heute oberster Investmentbanker der China International Capital Corp. ist. Chinas Wirtschaft habe sich längst vom Verlierer USA abgekoppelt, sind sich die Experten auf der von der Beratungsfirma Mandarin Strategy Management Consulting (MSM) organisierten Podiumsdiskussion einig.

"Geiselhaft der Interessengruppen"

Einmal in Fahrt, starten sie den Generalangriff auf Demokratie und Marktwirtschaft. "Die westlichen Demokratien befinden sich in der Geiselhaft der Interessengruppen", urteilt Wei Ding. Auch in China sei mehr als die Hälfte der Regierungsentscheidungen falsch, aber immerhin gebe es eine nationale Debatte, wohin die Wirtschaft gehen solle. "Demokratien sind in vielen Staaten furchtbar gescheitert", sagt der Inder Arun Kumar Sharma, Investmentchef der Weltbank-Tochter IFC. Auch sein Heimatland sei leider nicht so effektiv geführt wie China, vor allem was langfristige Strategien anbelange.

"Wir müssen die Idee aus dem Fenster werfen, dass Staatsbesitz an Unternehmen per se falsch ist", fordert Saidi. Dubai und Singapur seien Beispiele dafür, wie gut es funktioniere, wenn der Staat die wirtschaftliche Entwicklung lenke.

Quelle: Handelsblatt

Dirk Heilmann

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