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Wirtschaft: Der Zeitplan für die Ostsee-Pipeline gerät ins Rutschen

Der Streckenverlauf für die Erdgasleitung muss nach Umweltbedenken der Anrainerstaaten offenbar neu geplant werden

Stockholm - Der Zeitplan für den Bau der 1200 Kilometer langen Gas-Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland ist kaum noch zu halten. Nachdem die Betreibergesellschaft, das russisch-deutsche Konsortium Nord Stream, Ende vergangener Woche die Prüfung einer neuen Streckenführung durch die Ostsee angekündigt hat, könnte sich der Baubeginn bis auf Mitte 2009 verzögern – ein Jahr später, als ursprünglich geplant.

„Die angekündigten neuen Untersuchungen sind in diesem Jahr nicht mehr zu schaffen“, sagte Anders Elhammer von der für die Bodenuntersuchungen zuständigen schwedischen Behörde SGU dem „Handelsblatt“. Nach Auffassung von Inger Alness von der schwedischen Naturschutzbehörde brauche Nord Stream für die angekündigten Untersuchungen neue Genehmigungen in den betroffenen Ländern. „Und dieser Prozess nimmt sehr viel Zeit in Anspruch“, sagte sie. „Ein Baustart im Sommer 2008 ist ein sehr, sehr optimistischer Zeitplan“, findet auch die zuständige Staatssekretärin im finnischen Umweltministerium, Seija Rantakallio. Bei Nord Stream selbst gibt man sich hingegen vorsichtig optimistisch: „Den geplanten Baubeginn im Sommer 2008 können wir schaffen, wenn es ein konstruktives Miteinander gibt“, sagte Nord-Stream- Sprecher Jens Müller.

Ein verspäteter Baubeginn wäre ein erheblicher Rückschlag für das Konsortium, das aus dem russischen Gasgiganten Gasprom sowie den deutschen Energiekonzernen Eon und Wintershall besteht. Nord Stream soll eines der wichtigsten energiepolitischen Vorhaben Deutschlands und der EU realisieren: Ursprünglich ab 2010 sollten jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter sibirisches Erdgas nach Deutschland und Westeuropa gepumpt werden — das entspricht einem Zehntel des europäischen Gasbedarfs. Nun ist es fraglich, ob das Erdgas tatsächlich bereits im Jahr 2010 fließen kann.

Der von Nord Stream ursprünglich geplante Streckenverlauf der Pipeline stößt vor allem in Finnland und Schweden auf Kritik: Beide Länder führen Umweltschutzgründe gegen den Verlauf der Rohre in der ökologisch sensiblen Ostsee an und schlagen Alternativen vor. Nord Stream will nun an drei Stellen in der Ostsee einen anderen Streckenverlauf untersuchen. Eine alternative Trasse sei möglich im Golf von Finnland, wo die neue Route auch durch die estnische Wirtschaftszone verlaufen würde. Außerdem seien bei der schwedischen Insel Gotland, wo eine südlichere Route größeren Abstand zu zwei Naturschutzgebieten halten würde und bei der dänischen Insel Bornholm Alternativen denkbar.

Das Gesamtprojekt, das nach Nord-Stream-Angaben „mindestens fünf Milliarden Euro“ kosten wird, steht seit der Präsentation vor mehr als einem Jahr unter keinem günstigen Stern. Erst hagelte es politische Proteste, als Gerhard Schröder noch als Bundeskanzler die Grundvoraussetzungen für die Gas-Pipeline zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schuf und später selbst Aufsichtsratsvorsitzender des Konsortiums wurde. Dann gab es harsche Kritik von den baltischen Ländern und Polen an dem Vorhaben. Sie fürchten, dass sie zum energiepolitischen Spielball der Großmächte werden und Russland ihnen den Gashahn zudrehen kann, wenn die Pipeline an ihren Hoheitsgebieten vorbei geführt wird.

Der nun mögliche modifizierte Streckenverlauf ist brisant, da er durch estnisches Hoheitsgebiet führen würde. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Tallinn sagte zwar, dass man erst dann Stellung beziehen werde, wenn Nord Stream alle Unterlagen eingereicht habe. Estnische Regierungspolitiker hatten aber in den vergangenen Monaten mehrfach den Streckenverlauf durch die Ostsee unter Aussparung des Landwegs durch die baltischen Staaten als politisches Druckmittel Moskaus bezeichnet.

Helmut Steuer (HB)

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