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Desertec-Konzept: Versorger fürchten die Konkurrenz

Die traditionelle deutsche Energiewirtschaft fürchtet, das Desertec-Projekt könnte dazu führen, dass Milliarden, die zum heimischen Netzausbau benötigt werden, in der Wüste versickern und dass der wachsende Anteil von subventioniertem Strom aus erneuerbaren Quellen die Leitungen für den billigen Kohle- und Atomstrom verstopfen.

Der Stromkonzern Vattenfall wagte sich in der Debatte als erster aus der Deckung. Kaum war der Termin bekannt, zu dem die Münchener Rück zum Gespräch lud, machte sich der schwedische Konzernchef Lars Josefsson an die Demontage der Idee: Die für das Projekt veranschlagten 400 Milliarden Euro seien „verdammt viel Geld“. Zu den hohen Stromtransportkosten komme das Risiko terroristischer Anschläge.

Mit dem Terror-Argument schoss er womöglich übers Ziel hinaus. Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling konterte bald: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Akw seien doch viel attraktivere Terrorziele. Wenige Tage später kam es zum Störfall im Vattenfall-Akw Krümmel. Jetzt gibt man sich in der Berliner Deutschland-Zentrale kleinlauter, aber unversöhnlich: „Wir schauen uns das Projekt an, aber man muss auch realistisch bleiben“, sagt ein Sprecher.

Vattenfall wird am Montag in München nicht mit am Tisch sitzen. Anders die Wettbewerber Eon und RWE. Doch auch Fritz Vahrenholt, der bei RWE die Sparte der erneuerbaren Energien leitet, relativierte das Projekt bereits: Es sei nicht vorrangig für die Versorgung von Europa gedacht, sondern für die Menschen in den afrikanischen Ländern. Die Aussage, der Strom könne in großem Stil über die Alpen transportiert werden, sei „Wolkenschieberei“, sagte er. Skepsis am Nutzen für die Energieversorgung in Deutschland äußert auch Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur Dena, die Studien zur Leistungsfähigkeit der Netze erstellt. Die Agentur wird von Bund, KfW-Bankengruppe und der Finanzwirtschaft finanziert – ohne die so ein Projekt nicht zu stemmen ist.

Im Kern fürchtet die traditionelle deutsche Energiewirtschaft, das Desertec-Projekt könnte dazu führen, dass Milliarden, die zum heimischen Netzausbau benötigt werden, in der Wüste versickern und dass der wachsende Anteil von subventioniertem Strom aus erneuerbaren Quellen die Leitungen für den billigen Kohle- und Atomstrom verstopfen. Vattenfall, Eon und RWE erhalten beim Thema Desertec seltene Unterstützung der heimischen Ökostrombranche – und ihren Zulieferern. Bei mittelständischen Unternehmen wie dem Berliner Modulhersteller Solon ist man im Prinzip der Meinung: Sonnenstrom aus Afrika ist gut – für Afrika, aber nicht für Deutschland. Die Energie soll hier erzeugt werden.

Auch Björn Klusmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Erneuerbaren Energien (BEE), der rund 100 kleine Verbände vertritt, hat kein Problem mit solarthermischen Kraftwerken in Afrika. Er hält aber wenig vom Export nach Europa: „Es besteht die Gefahr, dass viele Ressourcen in ein Projekt fließen, dessen Umsetzung am Ende alles andere als gewiss ist, und in der Zwischenzeit andere wichtige Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien vernachlässigt werden.“ Kevin P. Hoffmann

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