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Wirtschaft: Deutsch-französischer Reformstau

EDITORIALS Die französischdeutsche Kooperation in der Außenpolitik ist legendär. Doch was weltweit wirklich Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache, dass beide Länder auch in der Wirtschaftspolitik im Gleichschritt marschieren.

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Die französischdeutsche Kooperation in der Außenpolitik ist legendär. Doch was weltweit wirklich Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache, dass beide Länder auch in der Wirtschaftspolitik im Gleichschritt marschieren.

Die zwei größten Volkswirtschaften der Eurozone sind mit hohen Arbeitslosenquoten und niedrigem Wachstum die wirtschaftlichen Schwachstellen der Region. Angesichts dieser Probleme und aufgeblähter staatlicher Bürokratie haben der französische Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder während des vergangenen Jahres versucht, einige zaghafte Reformen einzuführen. Doch beide Politiker haben versäumt zu erklären, warum diese Reformen notwendig waren, und wurden dafür jüngst bei Regionalwahlen vom Wähler abgestraft.

In Folge dessen ist der Reformprozess auf beiden Seiten des Rheins mehr oder weniger zum Stillstand gekommen. Um den Reformen einen „sozialeren“ Anstrich zu geben, sind Paris und Berlin, wie es so häufig geschieht, zu einem alten, verfehlten Trick zurückgekehrt: dem Mindestlohn. In Frankreich beträgt der Mindestlohn derzeit 7,19 Euro pro Stunde. Das wirkt sich besonders verheerend auf die Jugendarbeitslosenquote aus, die derzeit bei 25 Prozent liegt. Die Regierung möchte den Mindestlohn im Juli um weitere 3,7 Prozent anheben und im kommenden Jahr nochmals um das gleiche Niveau – um das Doppelte der Inflationsrate. Düstere Aussichten für die minderqualifizierten Arbeitslosen in Frankreich.

In Deutschland, wo es noch keinen Mindestlohn gibt, erwägt die rot-grüne Regierung zurzeit, diesen „Anreiz“ wie sie meint einzuführen. Die wenigen bereits auf den Weg gebrachten Reformen würden dadurch untergraben.

Paris und Berlin diskreditieren ihre eigenen Reformen, indem sie sich auf sozialpolitische Felder konzentrieren, die den Spielraum der Unternehmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beschränken. Hinter den beschwichtigenden Tönen, derer sich Regierungsvertreter dabei bedienen, steht die Auffassung, dass Bemühungen, die Märkte zu deregulieren und die Menschen von staatlichen Almosen unabhängig zu machen, in gewissem Maße die Gesellschaftsstruktur zerstören. Die beiden Staatschefs wären besser beraten, wenn sie den Menschen erklären würden, wie traditionelle „soziale“ Regelungen die derzeitigen Probleme – hohe Arbeitslosigkeit und schwaches Wirtschaftwachstum – erst herbeigeführt haben.

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