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Deutsche Bahn: Kohle für Europa

Die Bahn bietet 2,7 Milliarden Euro für den britischen Arriva-Konzern. Kritiker finden, das Geld sei in Deutschland besser angelegt. Aber ein solcher Kauf hätte auch seine Vorteile.

Berlin - Vielleicht war es die Werbung. „Wir befördern Sie durch Europa“, versprechen die Macher des britischen Verkehrskonzerns Arriva den Kunden auf ihrer Internetseite. Möglich, dass sie damit auch das Interesse der Deutschen Bahn geweckt haben. Schließlich ist es das erklärte Ziel des Staatskonzerns, zu den Großen auf dem Kontinent zu gehören, wenn die Karten auf dem Verkehrsmarkt neu gemischt werden. „Wir wollen nicht kampflos zuschauen“, hatte Vorstandschef Rüdiger Grube kürzlich dazu gesagt. Am Mittwoch nun handelte er – und ließ sich von seinem Aufsichtsrat grünes Licht für ein milliardenschweres Kaufangebot an Arriva geben, wie aus dem Gremium zu hören war. Nur die Lokführergewerkschaft GDL stimmte dagegen.

Gut 2,7 Milliarden Euro will der Staatskonzern für das Unternehmen ausgeben – knapp 1,8 Milliarden für die Aktien in bar sowie 960 Millionen für die Verbindlichkeiten der Briten. Ein teures und umstrittenes Unterfangen – hat die Bahn doch auf ihrem Heimatmarkt reichlich Probleme, zuletzt mit Türen und Achsen bei ICEs sowie mit unzuverlässigen S-Bahnen in Berlin. „Der Größenwahn bei der Deutschen Bahn, der unter Mehdorn begonnen hat, geht unter Grube weiter“, kritisierte Anton Hofreiter, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Der Manager solle ein Konzept für besseren Bahnverkehr in Deutschland vorlegen, statt die „falsche und riskante“ Strategie des eines globalen Mobilitäts- und Logistikunternehmens weiter zu verfolgen. „Das zeigt, dass die Bahn ihren Heimatmarkt weiter vernachlässigt“, befand auch Michael Gehrmann, Vorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland. Schon jetzt gebe es zu wenig Geld für die Schiene hierzulande. Doch die Koalition steht hinter Grube – Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte ihn aufgefordert, sich im internationalen Geschäft nur ja keine Chancen entgehen zu lassen.

Die Mittel für den Kauf will sich die Bahn durch die Ausgabe neuer Anleihen beschaffen. Damit würde allerdings die mühsam auf 15 Milliarden Euro gedrückten Verschuldung wieder zulegen. Zwar muss die Bahn Anlegern vergleichsweise wenig Zinsen zahlen, weil der Staat als solventer Eigentümer für sie bürgt. Dennoch würden die Finanzierungskosten steigen. Und das in einer Zeit, in der die Bahn nach wie vor spart, weil sie den Börsengang im Blick behalten will. Zugleich geben ihre Manager offen zu, dass vor allem fehlende Reservezüge für die jüngsten Ausfälle und Verspätungen bei der S-Bahn und im ICE-Verkehr verantwortlich waren. Ein Exemplar des Schnellzugs kostet gut 20 Millionen Euro – als Ersatz auf dem Abstellgleis ist er aber nur totes Kapital. Fällt irgendwo ein Zug aus, bekommt dies aber sofort der Kunde zu spüren.

Verbraucherschützer machen dafür indes neben dem Spardruck fehlenden Wettbewerb verantwortlich. „Wenn die Bahn mehr Konkurrenz vor allem im Fernverkehr hätte, könnte sie sich ein solches Verhalten nicht leisten“, sagte Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Politik müsse dafür sorgen, dass Wettbewerber leichter in den Markt einsteigen könnten – indem sie nicht nur in Deutschland den Staatsbahnen die Kontrolle über die Netze nehme.

Doch der Arriva-Kauf bringt auch Vorteile. Das findet Maria Leenen, die die Eisenbahn-Beratungsfirma SCI Verkehr leitet. „Wenn die Bahn Arriva kauft, hat der Fahrgast nichts davon. Er ist aber zugleich Steuerzahler. Und der spart Geld, wenn die Bahn dem Staat nicht auf der Tasche liegt und zur unangefochtenen Nummer eins auf den europäischen Transportmärkten wird.“ Dies berührt die Frage, was die Bahn sein soll – ein deutsches Unternehmen, das in erster Linie einen guten Zug- und Busverkehr bieten soll. Oder ein Anbieter im europäischen Markt, auf dem es derzeit vor allem um Größe geht. Verkehrsexpertin Leenen hält von der nationalen Option wenig. „Wenn die Bahn ein Versorgungsbetrieb sein und nur das Wohl des deutschen Fahrgasts im Blick haben soll, wird sie schnell in alte Zeiten zurückfallen – mit schlechterem Service, veralteten Zügen und mehr Verspätungen.“

Noch aber hat der Konzern den Zuschlag nicht. Womöglich steigt Frankreichs Staatsbahn SNCF wieder ins Bieterrennen ein – das würde den Preis in die Höhe treiben. Eine Stellungnahme aus Paris war am Mittwoch nicht zu bekommen.

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