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Wirtschaft: Deutsche Bahn: Mehdorn versus Wettbewerb

Die kommenden Tage und Wochen werden vermutlich die aufregendsten, die Hartmut Mehdorn in seiner bisherigen Amtszeit als Chef der Deutschen Bahn erlebt hat. Zum einen wird er das neue Fahrpreissystem präsentieren, welches das Unternehmen ursprünglich schon längst hatte vorstellen wollen.

Die kommenden Tage und Wochen werden vermutlich die aufregendsten, die Hartmut Mehdorn in seiner bisherigen Amtszeit als Chef der Deutschen Bahn erlebt hat. Zum einen wird er das neue Fahrpreissystem präsentieren, welches das Unternehmen ursprünglich schon längst hatte vorstellen wollen. Zum anderen wird sich entscheiden, ob die Staatsbahn das Schienennetz behalten darf oder, wie es Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) anstrebt, an eine unabhängige Betreibergesellschaft abtreten muss. Steckt Mehdorn bei beiden Projekten eine Niederlage ein, dürften seine Tage als Lenker der Staatsbahn gezählt sein.

Das aber ist unwahrscheinlich. Zwar wird das Preissystem, das in den Grundzügen schon bekannt ist und Ende 2002 kommen soll, Mehdorn Ärger einbringen: mit den Fahrgästen, weil die sich daran gewöhnen müssen, ihre Bahnreisen besser zu planen; und mit den Bundesländern, weil Fahrten im Regionalbereich teurer werden. Diese Einwürfe dürfte Mehdorn aber verschmerzen können. Den Ländern kann er bei den Preisen noch entgegenkommen. Und seinen Kunden muss er klarmachen, dass mehr Aufwand bei der Reiseplanung ihnen auch mehr Komfort bei der Reise selbst bringt - sofern das Preissystem hält, was die Bahn-Oberen versprechen: In Stoßzeiten, etwa am Wochenende, sollen die Züge nicht mehr überfüllt sein. Und wer bei der Reisezeit flexibel ist, soll Geld sparen können.

Heikler wird es für Mehdorn auf der zweiten großen Baustelle der Bahn, der Trennung von Netz und Betrieb. Der Bahnchef hat nicht nur den Bundesverkehrsminister gegen sich, der für ein unabhängiges Schienennetz wirbt. Auch die Mehrheit der Fachleute ist der Meinung, dass der Fast-Monopolist seine 38 000 Kilometer Schiene hergeben muss - sonst sei das Ziel, bessere Wettbewerbsbedingungen für andere Bahn-Firmen, nicht zu erreichen, weniger statt mehr Verkehr auf der Schiene wäre die Folge.

Doch wer hat Recht? Mehdorn kämpft für die Einheit von Netz und Betrieb, weil das Rad-Schiene-System technisch nicht zu trennen sei, argumentiert er. Die misslungene Bahn-Privatisierung in Großbritannien sei Warnung genug - dort sei der Zustand der Schiene so schlecht, weil es kein Führungsunternehmen gebe, das für Investitionen sorge. Überdies seien die Bahn-Sanierung und der Börsengang in Gefahr, beraube man den Konzern seines Kernstücks. Teuer sei eine Trennung zudem, von 1,6 Milliarden Mark jährlichen Kosten ist die Rede. Dass Mehdorn das Netz kampflos preisgibt und sich so selbst entmachtet, war nicht zu erwarten.

Trotzdem ziehen auch die Argumente für ein Schienennetz in Staatshand. In anderen netzabhängigen Märkten, in denen früher Wettbewerb undenkbar schien, funktioniert er heute. Im Flugverkehr etwa sind die Anforderungen an Sicherheit und Infrastruktur noch höher als bei der Eisenbahn. Der Markt funktioniert trotzdem, obwohl den Airlines weder Flughäfen noch Flugsicherung gehören. Gibt es keinen ausreichenden Wettbewerb - wie etwa beim Strom - mangelt es meist an konsequenter Regulierung durch die Behörden. Die Qualität leidet auch nicht zwangsläufig, wenn das Netz dem Staat gehört, vorausgesetzt, es gibt ein Amt, das einer modernen, sicheren Infrastruktur verpflichtet ist. Das schwächste Argument Mehdorns ist schließlich, dass der Börsengang der Bahn ohne Netz scheitern muss, weil das Unternehmen dann über einen wichtigen Teil seines Geschäftes keine Kontrolle habe. Auf Staatsmilliarden für das Netz wird die Bahn immer angewiesen sein, selbst wenn der Status quo bestehen bleibt.

Obwohl ein von der Bahn unabhängiges Netz also aus ökonomischen Gründen sinnvoll erscheint, wird der Konflikt zwischen Mehdorn und Bodewig auf einen Kompromiss hinauslaufen - schon deshalb, weil der Kanzler vor der Wahl keine zusätzliche Unruhe und der Finanzminister keine zusätzlichen Kosten gebrauchen kann. Dieses Harmoniestreben darf aber nicht dazu führen, dass es zu einer wettbewerbsfeindlichen Lösung kommt. Der Einfluss der Bahn auf das Netz muss so gering wie möglich sein - sonst kommt der Wettbewerb auf der Schiene nie in Gang.

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