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Deutsche Bahn: Noch kein grünes Licht

Der Bund will die Bahn privatisieren, aber viele Länder sind dagegen. Sie wollen Nachbesserungen. Der Zeitplan ist kaum zu halten.

Berlin - Otto Wiesheu kommt viel rum in diesen Tagen. Der Oberbayer reist quer durch die Republik und klappert die Hauptstädte der Bundesländer ab. Kommende Woche muss Wiesheu nach Magdeburg. Die Mission des Managers: Er muss die Länder auf Linie bringen, damit sie der Privatisierung der Bahn zustimmen. Selbst Kritikern nötigt dabei seine Überzeugungskunst Respekt ab. „Das macht er sehr geschickt“, sagt einer, in dessen Büro Wiesheu unlängst saß.

Der 62-Jährige ist die wichtigste Waffe von Konzernchef Hartmut Mehdorn. 2006 holte der den ehemaligen CSU-Verkehrsminister Bayerns zur Bahn, um die Drähte zur Politik zu verbessern. Mehdorn weiß: Die Länder sind eine der wichtigsten Hürden bei dem Plan, einen Teil des Staatskonzerns an Investoren zu verkaufen. Noch kann Wiesheu keinen Erfolg in den Bahn-Tower melden: Mindestens sieben Verkehrsminister sind nach einer Umfrage des Tagesspiegels am Sonntag noch skeptisch, einige lehnen den Teilverkauf des Unternehmens gar rundheraus ab. „Der Gesetzentwurf ist für mich nicht zustimmungsfähig“, ließ etwa Hessens Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) wissen. Dabei soll das Projekt bis Jahresende stehen. Kommenden Dienstag ist die Verabschiedung im Kabinett geplant, im Herbst soll die Länderkammer beraten.

Allein die Koalitionspolitiker auf eine einheitliche Linie einzuschwören war schon nicht einfach. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) musste seinen Gesetzentwurf wiederholt nachbessern, um die Bedenken im Parlament und bei anderen Ressorts auszuräumen. Verstummt ist die Kritik noch immer nicht. Nicht bei der Union, der etwa die Spanne zu lang ist, während der die Bahn das Schienennetz bewirtschaften darf. Auch nicht bei der SPD-Linken. Eine Reihe von Abgeordneten wehrt sich dagegen, den Einfluss des Staates für ein paar Milliarden Euro preiszugeben, darunter so prominente Namen wie Hermann Scheer, Träger des Alternativen Nobelpreises. „Ich bitte Sie herzlichst um Ihre Unterstützung“, warb Tiefensee vor kurzem in einem Brief an die Koalitionäre. Genützt hat es nichts. Auch die SPD-Landesverbände von Berlin und Brandenburg lehnen das Vorhaben ab, womöglich wird es ein Thema auf dem Parteitag im Oktober.

Hinzu kommen nun die Bedenken der Länder. Sie bangen um die Zukunft des Regionalverkehrs, den der Bund bezuschusst. „Die Länder fürchten, dass die Investition in die Schienen-Infrastruktur auf rentable Fernstrecken reduziert wird und der Verkehr in der Fläche hinten runterfällt“, sagt Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU). In der jetzt vorliegenden Form sei das Gesetz „nicht zustimmungsfähig“.

Neben Daehre und seinem hessischen Kollegen Rhiel haben auch andere Länder Bauchschmerzen. Es gebe noch „deutlichen Nachbesserungsbedarf“, findet sein Ressortkollege aus Sachsen, Thomas Jurk (SPD). Man wolle etwa „direkten Einfluss auf Investitionsentscheidungen“ in das Netz, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass die Bahn die Gleise in Sachsen wegen geringer Gewinnerwartung „künftig noch stärker als bisher vernachlässigt“. Zu befürchten seien zudem durch die Privatisierung „unkalkulierbare Risiken für Bund und Länder“, die in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Börsengang stünden. Jurk: „Privaten Investoren darf es nicht erlaubt werden, bei einem geringen Eigenrisiko dauerhaft Profit auf Kosten des Gemeinwesens zu machen.“

Brandenburgs Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) hält vom Verkauf gar nichts. Die Privatisierung könne dazu führen, dass Mobilität als staatliche Daseinsvorsorge gefährdet sei. Er wolle diese Aufgabe nicht „kurzfristigen Kapitalmarktinteressen“ opfern.

Rheinland-Pfalz sieht das Risiko, dass „die Länderhaushalte zu stark für die Finanzierung des Nahverkehrs herangezogen werden“, betont Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD). Verteuerten sich die Preise für die Trassen- und Bahnhofsnutzung auf Druck privater Kapitalgeber stark, müssten die Länder womöglich mehr für die Bestellung von Regionalzügen ausgeben, Leistungen abbestellen und im schlimmsten Fall Strecken stilllegen. „Das darf nicht sein.“

Glühende Verfechter der Privatisierung gibt es kaum. Auch Nordrhein- Westfalen hat bereits Bedenken angemeldet, Länder wie Bremen haben dagegen noch gar keine Meinung. Auch Berlin ist offiziell noch unentschieden – angesichts einer Koalition mit Privatisierungsskeptikern in beiden Parteien sind heftige Bedenken aber wahrscheinlich.

Insider im Bundestag wollen daher auf die Zukunft des Projektes nicht wetten. Auch Tiefensee rechnet mit Verzögerungen. Bis Mitte 2008 an die Börse gehen zu wollen, wie Mehdorn es plant, sei „sehr ehrgeizig“, sagte er am Freitag. Er sprach davon, dass man „im Laufe des Jahres 2008“ einen Anteil des Schienenkonzerns los werden könne.

Für Bahn-Manager Wiesheu bleibt also viel zu tun. Anmerken lässt er sich aber nichts. „Ich gehe davon aus, dass die Thematik heuer abgeschlossen werden kann“, sagte er kürzlich. „Wir können mit dem Börsengang nicht bis 2012 warten.“

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