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Bahn GDL

© Mike Wolff

Deutsche Bahn: Verfahrene Situation mit der GDL

Die Lokführer-Gewerkschaft GDL bleibt hart und macht die gesamte Wirtschaft nervös. Ein flächendeckender Streik in der kommenden Woche würde nicht nur die Bahn treffen.

Der Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL steuert auf unbefristete Streiks zu. Auch nach Drohungen von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, der Konzern werde millionenschwere Schadenersatzforderungen gegen die Lokführer stellen, lenkte die Gewerkschaft nicht ein. Die GDL rechnet mit einer breiten Zustimmung bei ihren Mitgliedern. Das Ergebnis der Urabstimmung soll an diesem Montag vorgestellt werden. Eine Gewerkschaftssprecherin signalisierte, dass die GDL bei der Höhe der Tariferhöhung zu einem Kompromiss bereit sei. „Forderung ist nicht gleich Abschluss“, sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag. Wie weit sich die GDL aber von den geforderten 31 Prozent wegbewegen könnte, wollte sie nicht sagen. „Darüber muss man sprechen. Und es muss auf jeden Fall einen eigenständigen Tarifvertrag geben.“

Ein Arbeitskampf würde nicht nur den Bahnkonzern treffen. Der Schienenverkehr spielt eine zentrale Rolle für viele Pendler und die Wirtschaft – und hat seine Position in den vergangenen Jahren gegenüber anderen Verkehrsträgern ausgebaut (siehe Grafik). „Die Schiene erlebt zurzeit eine Renaissance“, sagt ein Bahn-Sprecher. Auch in diesem Jahr sei der Trend etwa beim Schienengüterverkehr positiv. Streiks könnten den Konzern aber wieder zurückwerfen, befürchtet der Bahnvorstand. Schon die Streikdrohung zeigt Wirkung. „Bereits jetzt gehen uns täglich Einnahmen in Millionenhöhe verloren“, klagte Mehdorn im „Spiegel“. Die Bahn sei aber weiterhin zu Verhandlungen mit der GDL bereit. Um die Folgen von möglichen Streiks abzumildern, werde ein Sonderausbildungsprogramm für Bewerber von in- und außerhalb des Unternehmens gestartet. „Das soll uns möglichst rasch zusätzliches Fahrpersonal bringen“, sagte Mehdorn.

Die Wirtschaft bereitet sich nun auf den Arbeitskampf vor. In den Unternehmen mache man sich Sorgen wegen der möglichen Streiks der Lokführer, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „In der Stahlindustrie zum Beispiel herrscht große Nervosität“, sagte Carsten Kreklau, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, dem Tagesspiegel am Sonntag. Nicht nur die Produkte würden auf der Schiene aus-, sondern auch die Rohstoffe wie Eisenerz kontinuierlich angeliefert. „Das geht weder über die Wasserstraße noch per Lkw“, sagte Kreklau.

Schon ein Streiktag könne große Probleme verursachen. „Die Schiene ist ein zentraler Verkehrsträger, der nicht ersetzt werden kann“, sagte der Verkehrsexperte des BDI. „Kommt es zu längeren Streiks, dann kann das auch zu einem Knacks bei der Konjunktur führen“, warnte Kreklau.

Ein Streik sei für ihn unverständlich. „Ich verstehe zwar, dass die Stunde für die Lokführer günstig ist, die Muskeln spielen zu lassen“, sagte Kreklau. „Aber die Forderungen müssen auch in die Tarifstruktur der Bahn eingeordnet werden.“ Schon der Tarifvertrag, den die Bahn mit den Gewerkschaften Transnet und GDBA abgeschlossen hat, sei mit 4,5 Prozent Lohnsteigerungen „relativ hoch“. Kreklau sagte, er habe den Eindruck, dass die Bahn alles zur Entschärfung des Konflikts getan habe. „Das Problem sind die Lokführer.“

Die Spediteure befürchten starke Behinderungen, sollten die Lokführer Ernst machen. Dies gelte besonders, wenn die Streikenden strategisch geschickt eingesetzt würden, sagte Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). „Im Extremfall können die Lokführer die Logistik weitgehend lahmlegen.“ Schon bei den Warnstreiks sei es wegen Engpässen bei den Transportkapazitäten schwierig gewesen, die Zeit durchzustehen, sagte Rogge. Die zusätzlichen Kosten müssten die Spediteure in der Regel selber tragen, weil die Bahn sich bei Streiks auf „höhere Gewalt“ berufe. Für die Forderungen der GDL nach einem eigenen Tarifvertrag zeigte Rogge wenig Verständnis: „Es ist erstrebenswert, im Tarifverbund zu operieren, damit nicht kleine Gruppen – wie die Lokführer – das System blockieren.“

Die Autobauer haben noch eine Schonfrist. Ihre Arbeiter sind in den Werksferien. Bei Porsche müssen sie erst in gut einer Woche ans Band, bei Volkswagen in zwei Wochen. Porsche-Sprecher Albrecht Bamler sagt, sein Unternehmen habe Notfallpläne ausgearbeitet. Derzeit läuft bei dem Sportwagenbauer viel über die Schiene. Die fertigen Autos aus dem Stammwerk Zuffenhausen werden für den Export per Zug nach Emden geschafft, um von dort nach Japan, USA oder in den Nahen Osten verschifft zu werden. Von Emden gehen die Züge mit Boxter- und Cayman-Modellen aus finnischer Produktion nach Kornwestheim. „Für alles gibt es Ersatz per Lkw“, sagt Bamler. Das gelte auch weitgehend für das Werk in Leipzig, von wo der Cayenne für die Überseemärkte ebenfalls nach Emden geschafft werden muss. Die Zulieferung für den Cayenne aus dem slowakischen Bratislava könne jedoch nicht auf die Straße verlagert werden. Porsche betonte, man werde der Bahn in Zukunft trotz möglicher Streiks treu bleiben. „Wir bekennen uns klar zur Bahn. Die Zusammenarbeit ist wirtschaftlich und auch aus der Sicht der Umwelt wichtig“, sagte Konzernsprecher Bamler.

Eine VW-Sprecherin sagte, man sei mit der Bahn im Gespräch, hoffe aber, von Streiks nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. „Im Zweifel können wir aber auf die Straße ausweichen“, sagte die Sprecherin.

Das werden aber viele Unternehmen und auch Reisende versuchen. Der Automobilclub ADAC warnt bereits vor verstopften Autobahnen – und rät dazu, viel Zeit einzuplanen.

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