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Anshu Jain will der Deutschen Bank seinen Stempel aufdrücken.

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Deutsche-Bank-Chef Jain: Der Unbekannte mit dem Geld

Als Chef der Deutschen Bank will Anshu Jain dem Institut seinen Stempel aufdrücken. Doch Vielen in der Branche bleibt er rätselhaft. Was will der Neue?

Es galt als eines der gewichtigen Argumente gegen ihn: dass er kein Deutsch kann. Doch Anshu Jain, der neue Mann an der Spitze der Deutschen Bank, ficht das nicht an. Ob er die Sprache denn jetzt fleißig büffele, wurde er jüngst bei einem seiner extrem seltenen Auftritte in Frankfurt am Main gefragt. Der gebürtige Inder mit britischem Pass lächelte. „Yes, I do“, antwortete er. Ein deutsches Wort kam dem 48-Jährigen nicht über die Lippen.

Anshu Jain ist in der Stadt, in der das größte deutsche Kreditinstitut seinen Sitz hat, eine unbekannte Größe geblieben, auch wenn er schon seit 17 Jahren für die Deutsche Bank arbeitet. Banker aus anderen Häusern schütteln den Kopf, wenn sie nach ihm gefragt werden. „Ich habe ihn noch nie getroffen“, sagt ein führender Mann einer renommierten Privatbank. „Jain ist ja auch die ganze Zeit in London.“ Auch Analysten, deren Einschätzungen die Aktienkurse nach oben oder nach unten treiben können, hatten bislang nur Kontakt zum scheidenden Vorstandschef Josef Ackermann und zu Finanzvorstand Stefan Krause.

„Anshus Army“, wie Jains Gefolgsleute in der Bankenwelt genannt werden, und ihren Anführer können die Analysten also nur anhand der Zahlen bewerten. Die sahen in den letzten Jahren allerdings immer beeindruckend aus. Bis zu 80 Prozent hat die von Jain geführte Sparte zum Nettogewinn der Bank beigesteuert. Von London aus. Dort gilt er als Star. Aber in Frankfurt ist er ein Nobody – noch.

Erst zum 1. Juni übernimmt er gemeinsam mit dem 63-jährigen Jürgen Fitschen die Führung der Bank. Doch die Ära Ackermann ist schon längst zu Ende, und man spricht offenbar kaum noch miteinander. Gerade hat Ackermann ein seit langem für Mitte April angesetztes Treffen mit 200 Top-Managern der Bank abgesagt. Grund: Viele seien nach dem Wechsel an der Spitze sowieso nicht mehr dabei. Auch Jain und Fitschen halten es offenbar derzeit nicht für sinnvoll.

Kehrt mit Jain und seiner Truppe die Kasino-Mentalität in die Bank zurück? Fährt die Bank wieder große Risiken, sind gar Steuergelder bedroht? In Frankfurt reagiert man zurückhaltend, in Berlin zum Teil besorgt. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich Jain im Dezember getroffen. Beide fanden die Begegnung positiv, heißt es. Auch deutsche Konzernlenker soll er bei ersten Treffen durchaus beeindruckt haben.

Jedenfalls ist Jains Handschrift nach der jüngsten Personalrochade unverkennbar. Von den 18 Top-Managern im Vorstand und Group Executive Commitee, wo zusätzlich die Leiter der Geschäftsfelder und wichtigsten Auslandssparten sitzen, kommen ab Juni nur noch fünf aus Deutschland. Da regiert bei manchen eitle Schadenfreude, dass Jain mit einem Kandidaten bei der Finanzaufsicht abgeblitzt ist. Die deutsche Behörde zeigte dem Briten, dass er nicht so schalten und walten kann, wie er es sich vielleicht wünscht. Allerdings fühlt man normalerweise vor, ob ein Kandidat genehm ist.

Der smarte, stets freundliche Brite will zeigen, wo es langgeht – so viel ist sicher. „Der Umbau trägt eindeutig seine Handschrift“, sagt ein der Bank nahestehender Manager. „Der Einfluss der Deutschen geht zurück.“ Zwar dürfte Jain die Veränderungen mit dem 15 Jahre älteren Co-Chef Fitschen und den künftigen Aufsichtsratschef Paul Achleitner abgestimmt haben. Beide aber haben nicht verhindert, dass Jain wichtige Vertraute holt.

Wie geht die Bank mit der Personalie Jain um?

„Anshu’s Army“ führt bald alle Sparten der Bank, bis auf das in den letzten Jahren nicht nur durch die Übernahme der Postbank deutlich gestärkte Privatkundengeschäft. Aber mit dem Österreicher Stephan Leithner sowie dem Amerikaner Henry Ritchotte und dem Schotten Stuart Lewis ziehen drei Investmentbanker in den Vorstand. Dafür müssen Risiko-Chef Hugo Bänziger, ein Schweizer und enger Vertrauter von Ackermann, sowie Hermann Lamberti gehen.

Zumindest auf dem Papier kontrolliert Jain die Deutsche Bank schon länger. Seit Jahren schon hat er als Chef der Investmentsparte viel zu sagen. 1995 hatte man ihn von der US-Investmentbank Merrill Lynch geholt. Er gilt als hoch intelligenter Analytiker, der das Kapitalmarktgeschäft wie kaum ein zweiter beherrscht. Über Jahre hat der Cricket- und Safari-Fan, der aus einer Beamtenfamilie stammt, deutlich mehr verdient als Ackermann. Zuletzt war der Abstand – 9,8 Millionen Euro für Jain, 9,4 Millionen für Ackermann – nicht mehr ganz so groß. Aber der neue, noch größere Einfluss ist dem zurückhaltend auftretenden Vater von zwei Kindern, der seine Unterlagen stets im Rucksack trägt, jetzt offensichtlich wichtiger. Zumal absehbar ist, dass er 2015, wenn Fitschen in den Ruhestand geht, die Bank alleine führen wird.

So groß die Aufregung über die Personalien außerhalb der Bank zum Teil ist, so gelassen reagiert man intern. „Natürlich will Jain die Bank weiter voranbringen. Global, aber auch in Deutschland. Deshalb ruft er die in seinen Augen besten Leute“, sagt ein Insider. Jain habe den Kauf von Postbank, Norisbank und Sal. Oppenheim ausdrücklich unterstützt, betont auch Dieter Hein, Bankenkenner vom unabhängigen Analysehaus Fairesearch. „Die Strategie der Bank wird sich durch die Neuen nicht grundsätzlich ändern.“

Die heißt: Die Position unter den ersten Fünf der globalen Investmentbanken stärken, zugleich auf Deutschland und das klassische Bankgeschäft setzen. Das ist bitter nötig angesichts eines für Deutsche-Bank-Verhältnisse übersichtlichen Gewinns von 5,4 Milliarden Euro für 2011.

Jain weiß genau, dass die Gewinne im Investmentbanking schwanken und mit hohen Risiken verbunden sind. Der neue Chef habe aus den Krisen und dem Verkauf fragwürdiger Produkte gelernt und mit dafür gesorgt, dass riskante Geschäfte unterbleiben, etwa der Handel mit strukturierten Kreditpaketen, erzählt man im Haus. Auch Jain will keine Prozesse mit Großanlegern oder deutschen Kommunen.

Dass der Vorstand mit Bankern aus den USA, Großbritannien, Südafrika, Indien und Deutschland international und multikulturell ausgerichtet ist, empfinden Beobachter wie Hein nicht als Makel, sondern sogar als Markenzeichen. Schließlich ist die Deutsche Bank das einzige deutsche Kreditinstitut, das global vorne mitspielt. Das ist auch für deutsche Unternehmen wichtig, die sich bei globalen Geschäften nicht nur auf US-Investmentbanken verlassen wollen. Wirklich neu sind die Neuen in der Führung der Bank zudem nicht, sie sind lange dabei, haben die Strategie mitgetragen. „Das ist kein Durchmarsch der Investmentbanker, der ist schon längst passiert“, sagt Hein.

Um Freundschaftsdienste dürfte es Jain kaum gehen, wenn er Vertraute in die Top-Ebene befördert. „Im Vorstand der Bank gab es nie wirkliche Freunde. Auch Ackermann hatte im Vorstand zu niemandem Kontakt, der deutlich über das Berufliche hinausging“, heißt es. Einmal im Jahr treffe sich der Vorstand zu einer Sitzung im Ausland, mit einem Rahmenprogramm für die Ehefrauen. Mehr nicht. Sonst bleiben die Herren unter sich.

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