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Die Aktionäre sind beunruhigt. Die Deutsche-Bank-Aktie hat seit Jahresanfang die Hälfte ihres Wertes verloren.

©  Kai Pfaffenbach/Reuters

Deutsche Bank: „Der Aktienkurs könnte noch weiter fallen“

Börsenexperte Fidel Helmer über das Potenzial der Deutschen-Bank-Aktie und die Herausforderungen für den neuen Chef John Cryan.

Herr Helmer, die Aktie der Deutschen Bank hat seit Jahresanfang fast die Hälfte ihres Wertes verloren, allein seit der Entscheidung über den Brexit ein Viertel. Woran liegt es?

Die Deutsche Bank hat nach wie vor viele Baustellen, laufende Prozesse und Rechtsstreitigkeiten. In den USA drohen immer noch vermutlich hohe Strafen. Es gibt kaum ein negatives Ereignis im Finanzsektor, an dem die Deutsche Bank nicht beteiligt ist. Das schlägt sich natürlich im niedrigen Aktienkurs nieder.

Aber wieso noch einmal die zusätzlich Talfahrt nach der Brexit-Entscheidung?

Das deutet daraufhin, dass die Zinsen weiter sehr niedrig bleiben. Das ist gerade für große Banken ein gewaltiges Problem, die wie die Deutsche Bank im Anleihe- und Zinsgeschäft und damit im Investmentbanking stark sind. Dieser Bereich im Bankgeschäft bringt derzeit kaum noch Gewinn. Die Institute müssen neue ertragreiche Geschäftsfelder finden. Das geht nicht von heute auf morgen. London ist für die Deutsche Bank ein wichtiger Standort. Bei einem Brexit sind Verlagerungen in die EU unabdingbar. Auch hier wird die Bank wieder viel Geld in die Hand nehmen müssen.

Wer sind die Verkäufer? Wer kauft die Aktie überhaupt noch?

Die Deutsche Bank wird die nächsten beiden Jahre keine Dividende bezahlen. Große Anleger wie Versicherungen oder Pensionskassen können es sich nicht leisten Aktien zu halten, die keine Rendite bringen. Also verkaufen sie. Großanleger fallen als Käufer der Deutsche Bank-Aktie derzeit komplett aus.

Machen Sie sich Sorgen um die Deutsche Bank? Felix Hufeld, Präsident der Finanzaufsicht BaFin sagt, die Deutsche Bank sei sicher.

Ich mache mir keine Sorgen. Die Deutsche Bank ist nach wie vor das größte deutsche Institut. Sie hat eine starke Basis und ist kapitalkräftig. Sie wird nicht in ihren Grundfesten erschüttert. Der Name Deutsche Bank wird nicht verschwinden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält die Deutsche Bank für das gefährlichste Institut der Welt.

Der IWF sitzt in den USA. Dort drohen der Deutschen Bank die höchsten Strafen. Außerdem stehen deutsche Unternehmen – Stichwort VW – in den USA derzeit sehr stark in der Kritik. Auf sie wird eingeprügelt. Möglicherweise dient das auch dazu, US-Instituten – die größten Konkurrenten der Deutschen Bank – den Rücken zu stärken.

Fährt Deutsche Bank- Chef John Cryan den falschen Kurs?

Börsenexperte Fidel Helmer.
Börsenexperte Fidel Helmer.

© dpa

Cryan macht einen guten Job. Aber er muss eben aufräumen, was seine Vorgänger angerichtet haben. Er muss ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Und das geht nicht von heute auf morgen. Es wird dauern.

Der Aktienkurs der Deutschen Bank entspricht derzeit gerade mal einem Viertel des Buchwertes der Bank, also der Vermögenswerte, die die Bank hält. Ein Kaufsignal?

Als Privatanleger kann man kann erst mal ein kleineres Investment tätigen. Ein Drittel eines geplanten Kaufs jetzt, ein Drittel im Spätsommer und den Rest, wenn sich der Kurs deutlich nach oben bewegt. Aber nach wie vor ist große Vorsicht angebracht. Es gibt Beobachter, die den Kurs der Aktie noch unter zehn Euro sehen. Vielleicht sollte man das noch abwarten.

Wo sehen Sie den Kurs der Bank in den nächsten Monaten?

Die Aktie hat Potenzial. Cryan wird die Baustellen in den Griff bekommen und ein neues Geschäftsmodell aufsetzen. Und die Bank hat für weitere Strafen Rückstellungen von mehr als fünf Milliarden Euro gebildet. Es wird mit dem Kurs wieder aufwärts gehen.

Wann wird die Bank aus Ihrer Sicht wieder eine Dividende zahlen können?

Vielleicht ist das 2018 wieder möglich. Zumindest eine kleine Dividende ähnlich wie bei der Commerzbank. Dann wird die Aktie auch wieder für Großanleger interessant. Das dürfte den Kurs beflügeln. Privatanleger allein können das nicht bewerkstelligen.

Die Deutsche Bank steht allein schon durch ihren Namen und durch ihre Geschichte wie kein anderes Institut für die deutsche Finanzwirtschaft und Wirtschaft überhaupt. Ist Ihr Niedergang damit auch ein Problem für die gesamte deutsche Wirtschaft?

Wirklich betroffen ist die deutsche Wirtschaft nicht. Es gibt ständig gute Unternehmensnachrichten, die deutsche Wirtschaft wächst solide und stärker als in anderen Euro-Länder. Die Erwerbstätigkeit ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht.

Brauchen deutsche Unternehmen für ihr internationales Geschäft ein Institut wie die Deutsche Bank mit ihrer globalen Präsenz?

Natürlich ist heute das globale Geschäft entscheidend. Aber da gibt es neben der Deutschen Bank viele andere Institute, die diesen Pfad beschreiten und die gleichen Leistungen bieten. Der Wettbewerb ist heftig. Deutsche Unternehmen werden auch Angebote von Schweizer oder von amerikanischen Banken in Anspruch nehmen. Oder in jedem Fall prüfen.

Fidel Helmer ist seit mehr als 50 Jahren Wertpapierexperte

bei der Privatbank Hauck & Aufhäuser in Frankfurt am Main.

Mit ihm sprach

unser Korrespondent

Rolf Obertreis.

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