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Wirtschaft: Deutsche Bank meldet sich in London zurück

LONDON . Peter Nolan, Ian McCarthy, Timothy Cottrell, Suzy Walls: vier ganz frische Einträge auf der inzwischen langen Vermißtenliste der Deutschen Bank.

LONDON . Peter Nolan, Ian McCarthy, Timothy Cottrell, Suzy Walls: vier ganz frische Einträge auf der inzwischen langen Vermißtenliste der Deutschen Bank. Seit der Übernahme des amerikanischen Bankers Trust (BT) und seiner 20 000 Mitarbeiter läßt der Exodus des gehobenen Managements beim amerikanischen Übernahmepartner nicht nach. Wer weggeht, war beim Trust, nicht bei der Deutschen Bank. Nur Tage zuvor sind 20 Analysten zur Credit Suisse First Boston abgewandert, die der Deutschen Bank schon häufig gute Spitzenkräfte abspenstig gemacht hat. Wieder zogen sich Namenskolonnen durch die Fachpresse: Stanley Blaylock, Thomes de Rosa, James Scopa . . . Und auch Frank N. Newman, bisher Chef bei BT, ging - allerdings nicht zur Schweizer Konkurrenz. Dem Manager wurde der von den Deutschen gebotene Finanzrahmen aus Grundgehalt, Bonus, Spesen und anderen geldwerten Vorteilen plötzlich zu eng. Newman und die Deutsche Bank waren froh, daß die Verbindung gelöst werden konnte. Er verkörperte wie kein zweiter den großspurigen amerikanischen Investmentbanker - nicht nur auf dem Gehaltsstreifen. Unter Newmans Führung hat der Bankers Trust im dritten Quartal des vergangenen Jahres 500 Mill. Dollar Verlust aus einem Finanzengagement in Rußland eingefahren. Ein goldener Handschlag - das "Wall Street Journal" beziffert die Abfindung auf etwa 100 Mill. Dollar - soll die Sache nun bereinigen.Die Gehaltsstrukturen beider Institute in ein stabiles Verhältnis zueinander zu bringen, kostet die Deutsche Bank rund 1,6 Mrd. Dollar. Nur 400 Mill. zahlt das Institut denjenigen Mitarbeitern, die bleiben. Der Rest fließt in Abfindungen. Der Ausstiegsdrang der BT-Banker kommt der Deutschen Bank insofern gelegen, als die Fusion etwa 5000 Mitarbeiter weltweit überflüssig macht, rund 2800 davon in London. Andererseits ist es bei Beobachtern regelrecht in Mode gekommen, das Mißgeschick der Deutschen Bank beim Aufbau eines internationalen Investmentbankings als ewige Pechsträhne zu stilisieren. Es handele sich doch, so heißt es, schließlich schon um den dritten Anlauf der größten deutschen Bank, in die Kaste der Wall-Street-Aristokratie aufzusteigen - die durch Merrill Lynch, Morgan Stanley oder Goldman Sachs repräsentiert wird."Bankers Trust ist unsere erste und beste Wahl" beteuert Rolf Breuer, Vorstandschef der Deutschen Bank. Es ist jedoch mehr als nur Kolportage, daß die Frankfurter eigentlich ein Auge auf JP Morgan, ein echtes Blaublut unter den Wertpapierspezialisten, geworfen hatten, bevor sie auf BT umschwenkten. Und es ist wohl auch zulässig, nun - nach der Übernahme von BT - von einem Neuanfang zu sprechen. Im reichhaltig mit Kunst bestückten Winchester House, dem Londoner Sitz der neuen Investmentbank Deutche Bank, eröffnete Vorstandsmitglied Josef Ackermann am vergangenen Freitag die neue Handelszentrale der Bank - den größten Handelssaal Europas. Die Bank berichtet stolz, daß hier in Zukunft 1800 Menschen Wertpapiere aller Art kaufen und verkaufen werden.Die Finanzszene in der Londoner City und an der Wall Street räumt der neuen Deutschen Bank allerdings noch nicht den Status einer vollentwickelten Investmentbank ein. Nach wie vor gilt das Frankfurter Finanzhaus in der angelsächsischen Presse als Sinnbild eines "starched shirt", eines gestärkten Hemds. Damit wird ein in Auftritt und Beweglichkeit altmodisch und unflexibel operierender Gigant gekennzeichnet.Nimmt man sich die in der Branche des Investmentbankings so beliebten Liga-Tabellen vor, dann bezieht die Investmentbank Deutsche Bank zur Zeit ihre größte Kraft aus dem internationalen Anleihenhandel, dem Geschäft mit Devisen und Projektfinanzierungen. In diesen drei Disziplinen rangiert die Bank auf den Plätzen eins bis drei. Auch das Asset Management - die Betreuung und der Aufbau großer Vermögen - ist ein Geschäftsbereich, in dem die Bank in der Weltliga vorne mitspielt. Ähnliches gilt für die Aufbewahrung von Wertpapieren.Branchenexperten sehen Schwachpunkte vor allem im äußerst lukrativen Geschäft mit Beratung bei Unternehmenszusammenschlüssen. Ihre guten Kontakte nach Stuttgart hat die Deutsche Bank zwar zuletzt an der Fusion der Autokonzerne Daimler und Chrysler teilhaben lassen. Und im europäischen Maßstab hat die Deutsche Bank eine ausbaufähige Kundschaft im Fusionsgeschäft. Doch wird gerade dieser Markt auch von den beiden Investmentbanken Credit Suisse First Boston und Lazard energisch in Angriff genommen. Eine weitere Schwäche liegt im Geschäft mit Börsengängen. Bankers Trust bringt hier das Geschäft des Wertpapierhauses Alex Brown ein. Nicht zuletzt hier droht die Personaldecke auszudünnen, wenn in einigen Monaten die 200 Mill. Dollar Gratifikationen auslaufen, die Bankers Trust an die Mitarbeiter von Alex Brown ausschüttet. Dann werden in Zusammenhang mit der Deutschen Bank wieder jede Menge Namen durch die Zeitung wandern.

TITUS KRODER (HB)

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