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Deutsche Böse und Nyse: Was die Fusion für die Märkte bedeutet

Die Deutsche und die New Yorker Börse wollen fusionieren. Welche Auswirkungen hat der Deal?

Selbst eingeweihte Beobachter der Frankfurter Finanz-, Banken- und Börsenszene waren überrascht. Niemand hatte auf dem Schirm, dass Reto Francioni, ein eher gemächlich wirkender Manager aus der Schweiz, als Chef der Deutschen Börse ein solches Rad drehen würde. Nun stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Zusammengehen der hiesigen Börse mit der riesigen NYSE Euronext in New York auf die Handelsplätze und auf die Anleger haben wird.

Wieso schwappt die Fusionswelle bei den Börsen gerade jetzt wieder nach oben?

Die letzte große Übernahme stammt aus dem Jahr 2006. Damals schluckte die New Yorker die europäische Vierländer-Börse Euronext in Paris, zu der auch Amsterdam, Brüssel und Lissabon gehören. Danach gab es, bedingt auch durch die Finanzkrise, nur noch kleinere Übernahmen oder Kooperationen, auch bei der Deutschen Börse. Der Konsolidierungsdruck blieb aber hoch. Jetzt ist offenbar wieder Raum, um ernsthaft aufeinander zuzugehen.

Warum ist der Druck so hoch?

Zum einen nimmt der Wettbewerb zwischen den etablierten Börsen immer mehr zu. Zum anderen sind in den letzten Jahren auch immer mehr elektronische Handelsplattformen und auch – sogar mit Hilfe der Deutschen Börse – kleinere Anbieter entstanden, wie etwa Tradegate in Berlin. Nicht zuletzt haben die Großbanken auch in Europa eigene Handelssysteme etabliert. Ihr Erfolg blieb zwar hinter den Erwartungen zurück, aber auch sie sorgen für Preis- und Kostendruck. Und nicht zuletzt werden vor allem neu kreierte Wertpapiere von Großanlegern abseits der Börsen „over the counter“ (OTC), über den Tisch, also direkt gehandelt. Die Marktanteile der klassischen Börsen sind in den letzten Jahren jedenfalls deutlich gesunken. Und damit auch ihre Gewinne.

Wie weit sind die Fusionspläne gediehen?

Zwar gibt es bis auf eine einzige Presseerklärung keine persönlichen Statements aus dem Management. In der Erklärung steht, dass man zwar Verhandlungen begonnen habe, dass diese aber nicht unbedingt zu einer Fusion führen müssten. Weil aber schon so viele Details bekannt wurden, kann man daraus schließen, dass die Verhandlungen sehr weit fortgeschritten sind. So ist zu hören, dass Frankfurts Börsenchef Francioni Chairman wird und NYSE-Boss Duncan Niederauer CEO bleibt, dass 60 Prozent der Aktien an Anleger der Frankfurter Börse, 40 Prozent an NYSE-Shareholder gehen sollen und dass Synergien und Einsparungen im Umfang von mindestens 300 Millionen Dollar erreicht werden sollen.

Sind allein Kostenüberlegungen Grund für die geplante Großfusion?

Sicher nicht. Aber die Kosten stehen an erster Stelle. Einsparungen ergeben sich daraus, dass Handelssysteme, Abwicklungsrechner, Informationstechnologie und mithin die gesamte IT zusammengelegt werden sollen. Und über diese gemeinsamen Systeme werden dann erheblich mehr Wertpapiertransaktionen als heute abgewickelt. Zudem gibt es Einsparungen in der Verwaltung und das Kapital wird effizienter genutzt.

Profitieren auch die Anleger?

Die Anleger, die die Aktie der Deutschen Börse besitzen, konnten sich am Donnerstag zunächst über ein Kursplus von sechs Prozent freuen. Ob aber die in den letzten Jahren ohnehin gesunkenen Börsengebühren weiter sinken, ist offen. Am derzeitigen Preisgefüge werde sich erst einmal nichts ändern, sagt Börsenhändler Oliver Roth von der Close Brothers Seydler Bank. Möglicherweise aber könnte man ausländische Aktien in Frankfurt bald günstiger erstehen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass es teurer wird. Schließlich entsteht die größte Börse der Welt mit einem Handelsvolumen von 21 Billionen Dollar pro Jahr. Vor allem das Zusammengehen der Terminbörsen Eurex der Deutschen Börse und der Liffe der Euronext ist möglicherweise kritisch, denn es entsteht nach Angaben von Experten faktisch ein Monopol. Allerdings sind in Deutschland nur wenige Privatanleger direkt an der Terminbörse aktiv. Anlegern nutzt sicherlich die globale Ausbreitung in der Abwicklung transatlantischer Investments. Doch sehen manche auch Gefahren, vor allem für Privatanleger sowie kleine und mittelgroße Firmen.

Woran könnte die geplante Börsenfusion noch scheitern?

Sowohl Aufsichts- wie auch Kartellbehörden werden das Vorhaben intensiv prüfen und bringen möglicherweise Bedenken vor. Auch die Aktionäre beider Unternehmen müssen zustimmen. Und die Manager beider Seiten müssen sich verständigen, welches Handelssystem sie künftig verwenden: Die hoch gelobten Xetra- Rechner aus Frankfurt oder die Computer der NYSE. Einfach ist das nicht: An dieser Frage ist vor Jahren das Zusammengehen von Paris und Frankfurt gescheitert.

Was bedeutet die Fusion für den Börsen- und Finanzplatz Frankfurt am Main?

Der Verwaltungssitz der neu geformten Börse ist aus steuerlichen Gründen in den Niederlanden geplant, daneben soll es zwei Hauptsitze in New York und Frankfurt geben. Weil der Chef der NYSE auch erster Mann des neuen Unternehmens werden soll, fürchten Beobachter, dass Frankfurt mittelfristig doch verliert. Sie erinnern auch daran, dass Paris bei NYSE Euronext faktisch nichts mehr zu sagen hat, obwohl der Zusammenschluss als Fusion unter Gleichen bezeichnet wurde. Wichtig wäre, dass die eigentlichen Börsen in New York und Frankfurt ihre Eigenständigkeit behalten, sagt Börsenmakler Roth. Dann könnte das Handelsvolumen an beiden Orten steigen. Und Frankfurt könnte sogar gegenüber London, der größten Börse in Europa, aufholen. Denn Geschäfte von US-Investoren würden nicht mehr an der Themse, sondern am Main abgewickelt.

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