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Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA), spricht über seine Vorstellungen von Deutschlands Rolle in der Welt.

© Marc Tirl/dpa

Deutsche Exporteure warnen: "Mein Schreckensszenario ist, dass die EU auseinanderfällt"

Anton Börner, Chef des Bundesverbands des Groß- und Außenhandels, über die Krisen in China, Russland und Griechenland.

Herr Börner, wann waren Sie zuletzt in China?

Längere Zeit nicht. Ich glaube, der letzte Besuch war vor dem Jahr 2010.

War die Welt da noch in Ordnung, zumindest in China?

Nun ja, wir hatten damals noch die Auswirkungen der Weltfinanzmarktkrise und viele haben den Weltuntergang heraufbeschworen.

Heute sind es ja wieder die Finanzmärkte, die in China crashen. Viele Chinesen haben ihr Erspartes verloren und können sich keine teuren deutschen Autos mehr leisten. Dabei exportiert kein Land so viel nach China wie Deutschland. Ist der Rausch vorbei? Wie schlimm steht es um China?

Man muss die Entwicklung über einen längeren Zeitraum betrachten. Wir hatten eine unglaubliche Wachstumsphase über mehrere Jahrzehnte. Dass es dann auch mal zu einem Rückschlag kommt, ist doch natürlich. Die große Frage ist: Wie geht es weiter? Und da bin ich sehr optimistisch. China ist einen weiten Weg gegangen, aber längst noch nicht da angekommen, wo es hin will. Die Chinesen werden noch viele Jahre lang auf Importe im Hightech- und im hochwertigen Konsumgüterbereich angewiesen sein. Und da ist die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt. Unsere Waren und Dienstleistungen werden auch in den nächsten Jahrzehnten noch sehr stark nachgefragt werden. Als Unternehmer muss man in China präsent bleiben. Kurzfristig wird es zwar Rückgänge geben, aber die können wir wegstecken. Deshalb gehen bei uns nicht die Lichter aus.

Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von 74,5 Milliarden Euro nach China exportiert. Wie wird die Bilanz am Ende dieses Jahres aussehen?

Große Einbrüche wird es nicht geben. Vielleicht wird es kein großes Wachstum mehr geben, aber ein Minus sehe ich nicht.

VW verkauft fast 40 Prozent seiner Autos in China. Haben sich die deutschen Autobauer zu abhängig von China gemacht?

40 Prozent, das ist natürlich schon ein Klumpenrisiko. Wenn es in dem Markt nicht gut läuft, drückt das natürlich die Gewinne. Ich glaube aber nicht, dass sich die deutschen Autohersteller abhängig gemacht haben von China. Die Unternehmer haben ein gutes Produkt, das stark nachgefragt wird. Dann liefern sie natürlich. Und bei einem so großen Markt wie China liefern sie halt viel. Das kann man den Unternehmen doch nicht vorwerfen. Die Frage ist: Gibt es Kompensationsmärkte für den Fall, dass es in China nicht mehr läuft.

Und gibt es die?

Ja, zum Beispiel die USA. Die US-Wirtschaft wächst, die USA sind ein Riesenmarkt, noch größer als China.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht der Abschluss des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA? Was würde das den deutschen Exporteuren bringen?

TTIP wäre nicht nur wichtig, um Arbeitsplätze zu sichern und Wachstum zu schaffen. Das Abkommen wäre aber vor allem politisch sehr wichtig. Europa und die USA sind die einzigen funktionierenden Demokratien. Wir haben zusammen einen Anteil am Welthandel von 60, 65 Prozent. Wer, wenn nicht wir, soll die Regeln festschreiben, wie man wirtschaftlich miteinander umgeht? Wir müssen die Blaupause für alle anderen liefern. Wenn wir das nicht schaffen, schreibt vielleicht irgendwann China diese Regeln vor und das ist nicht wünschenswert.

"Die Angst, das falsche Pferd zu setzen, ist bei uns genetisch verankert"

Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA), spricht über seine Vorstellungen von Deutschlands Rolle in der Welt.
Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA), spricht über seine Vorstellungen von Deutschlands Rolle in der Welt.

© Marc Tirl/dpa

US-Unternehmen wie Apple, Google oder Facebook sind die großen Player auf den Weltmärkten. Deutsche Unternehmen sind in diesem Segment gar nicht zu finden. Auch in anderen Zukunftsfeldern wie etwa bei der Elektromobilität sind andere Volkswirtschaften weiter. Haben die deutschen Ingenieure die Zukunft verschlafen, weil sie sich zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben?

Das ist eine Frage der Mentalität. Google, Facebook und Microsoft sind aus Start-ups entstanden, damit tut sich Deutschland schwer. In Deutschland ist die Angst, aufs falsche Pferd zu setzen, die Angst vor dem Risiko, geradezu genetisch verankert, auch bei den Finanziers. Die Amerikaner sind da anders. Da fließt unendlich viel Geld in Ideen, die neu sind und etwas werden könnten. Deutschland ist ein alter Wirtschaftsstandort. Junge Menschen aus Familienunternehmen bauen auf dem auf, was schon da ist. Etwas ganz Neues zu erfinden und auszuprobieren, ist in der deutschen Mentalität nicht so stark ausgeprägt. Wir sind nicht so sehr die Vorprescher, sondern eher die Bedenkenträger, aber eben auch die Tüftler, die Verbesserer von Bestehendem. Aber damit fahren wir eigentlich ganz gut, wie die Zahlen zeigen. Hinzu kommt, dass Amerika natürlich auch deutlich größer ist als Deutschland.

Der billige Euro erleichtert Ihnen das Geschäft. Nun haben die Chinesen kürzlich ihre Währung abgewertet. Wie hart trifft das die deutschen Exporteure?

Nicht sehr. Sie müssen mal sehen, wo der Euro vor ein, zwei Jahren stand und wie billig er heute ist. Dank der Maßnahmen der Europäischen Zentralbank ist der Euro noch tüchtiger abgewertet worden als der Juan, und ich sehe auch nicht, dass eine Aufwertung bevorsteht. Wenn in den USA die Zinsen steigen, wird der Dollar noch teurer. Bei uns bleiben die Zinsen niedrig, ich sehe daher keinen Aufwertungsdruck für den Euro.

Die Krise in China trifft die Region und darüber hinaus viele Schwellenländer, die ihre Rohstoffe nicht mehr los werden. Brasilien hat Probleme, Russland steckt in der Dauerkrise, es brennt an vielen Orten.

Ja. Russland wird sich in den nächsten Jahren nicht erholen. Der Nahe und Mittlere Osten steht in Flammen, da sehe ich auch keine Besserung. Aber es gibt Lichtzeichen.

Wo denn?

Es gibt einige afrikanische Länder, die kräftig wachsen. Die USA natürlich, und Hoffnungen setzen wir auch auf Indien.

Die deutschen Exporte haben im ersten Halbjahr einen neuen Rekord erreicht. Werden Sie das bis zum Jahresende halten können? Wird 2015 trotz aller Krisen einen neuen Exportrekord bringen?

Ja, das glaube ich. Wir werden ein kleines Plus hinbekommen. Wie groß das ist, hängt von der Weltpolitik ab. Wir müssen nicht mit Einbrüchen rechnen. Allerdings unter einer Bedingung: Die Euro-Krise darf nicht eskalieren.

Was befürchten Sie?

Mein Schreckensszenario ist, dass die Europäische Union auseinanderfällt. Dass Großbritannien austritt, dass sich in Spanien Katalonien und das Baskenland abspalten und die EU verlassen und dass in Frankreich Marine Le Pen noch weiter zulegt. In Italien sind bereits 40 Prozent der Wähler gegen den Euro und Europa. Europa darf aber nicht auseinanderbrechen. Nur: Ich sehe außer Frau Merkel derzeit keinen anderen Spitzenpolitiker in der EU, der die Gemeinschaft zusammenhalten kann. Und eine allein ist vielleicht zu wenig.

Ist es richtig, Griechenland mit weiteren Milliarden zu retten, um den Zerfall der EU aufzuhalten?

Ich glaube, grundsätzlich ist es richtig, den Griechen noch eine Chance zu geben. Wahrscheinlich wäre das aber auch mit kleineren Summen gegangen.

Ist Griechenland wirklich gerettet?

Wohl nicht. Das Rettungspaket wird Griechenland nicht helfen, die Wende zu schaffen. Griechenland hat kein Geschäftsmodell, keine Struktur, um ein wirkliches Wachstum zu schaffen. Wie will Griechenland da jemals aus dem Schlamassel herauskommen? Das Rettungspaket hilft der griechischen Wirtschaft und der Bevölkerung nicht und ist nur eine Refinanzierungsmaßnahme für die Gläubiger. Und dann wird Griechenland ja auch noch von Flüchtlingen überrannt. Wie soll das Land das alles schaffen?

Nach der Einigung im Atomstreit gibt es eine Annäherung mit dem Iran. Was versprechen Sie sich davon?

Es muss sich schon einiges ändern. Der Iran muss sich dem Westen annähern und seine politische Rhetorik ändern. Für die deutsche Industrie ist die Entwicklung von großem Interesse. Der Iran war für den deutschen Maschinenbau früher ein sehr wichtiger Kunde. Man muss mal abwarten, wie das jetzt läuft. Ob sich der Iran schnell öffnet, oder ob sich das hinzieht. Man sollte sich nicht zu schnell reich rechnen.

Anton F. Börner ist Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen. Als Sohn einer mittelständischen Unternehmerfamilie aus Ingolstadt trat er nach einem Betriebswirtschaftsstudium in das elterliche Unternehmen ein. Seit 2001 steht er dem BGA vor.

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