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Wirtschaft: "Deutsche Firmen müssen aufhören zu bestechen"

Die Unsicherheit wegen der Krise in Rußland wächst.Über die Turbulenzen äußert sich Peter Eigen, Chef der nichtstaatlichen Korruptions-Aufsicht Transparency International in Berlin.

Die Unsicherheit wegen der Krise in Rußland wächst.Über die Turbulenzen äußert sich Peter Eigen, Chef der nichtstaatlichen Korruptions-Aufsicht Transparency International in Berlin.Der Jurist arbeitete Jahrzehnte für die Weltbank.Mit ihm sprach Jobst-Hinrich Wiskow.

TAGESSPIEGEL: Was passiert gerade in Rußland?

EIGEN: Das Land bricht zusammen.Dafür ist die Korruption wesentlich mitverantwortlich.In unserem letzten Korruptions-Index lag Rußland auf Rang 49 von 52 untersuchten Staaten.Immer wieder wurde uns das bestätigt, von Regierungskreisen, Unternehmern, Akademikern und Journalisten.

TAGESSPIEGEL: Wieso tun die Leute so wenig dagegen?

EIGEN: Man kann sich über die Geduld, die die Menschen mit dem Elend haben, nur wundern.Die meisten spüren zwar die Korruption, aber sie denken, sie gehöre zu einem marktwirtschaftlichen System.Die meisten haben eine groteske Vorstellung von der Marktwirtschaft.Sie denken, in einer freien Marktwirtschaft sei alles erlaubt.

TAGESSPIEGEL: Ist in Rußland alles erlaubt?

EIGEN: Viele Rechtsbereiche sind vollkommen ungeregelt.Es gilt das Gesetz von der Macht des Stärkeren.Wenn es so weiter geht, dann wird Rußland niemals in den Genuß einer funktionierenden Marktwirtschaft und einer freien Gesellschaft kommen.

TAGESSPIEGEL: Wie groß ist der Schaden der Korruption?

EIGEN: Zahlen würden eine Exaktheit vermitteln, die nicht zutrifft.Wenn zum Beispiel ein Bürgermeister zehn Mill.DM aus der Kasse nimmt, dann ist der Schaden viel größer als die zehn Mill.DM.Denn mit dem Geld fördert er die falschen Projekte, die richtigen bleiben auf der Strecke - zum Beispiel werden die Kohlearbeiter nicht bezahlt.Die wiederum beginnen einen Streik, der zusätzlich Kapital vernichtet.Niemand kann die Summe beziffern, die Rußland insgesamt verschwendet.

TAGESSPIEGEL: Wieso ist der Prozeß weg von der Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft denn so schmerzhaft?

EIGEN: Es herrscht eine vollkommene Werteverwirrung.Niemand weiß, was wirklich richtig ist im Gesetz des Dschungels.Dieses Gesetz herrschte eigentlich schon immer, schon seit zaristischer Zeit.Nie war es verwerflich, wenn man im nicht-offiziellen Sektor agierte.Dort entfalteten sich sogar unternehmerische Initiative und neue Ideen.Deshalb ist dieser Sektor auch heute so bedeutsam - mit den negativen Folgen ...

TAGESSPIEGEL: ...unter denen auch wir leiden.Worin besteht unsere Rolle?

EIGEN: Das Allerwichtigste: Deutsche Firmen müssen endlich aufhören zu bestechen.Das tun sie in Rußland in großem Maße - übrigens auch aus dem Grund, daß die Firmen hierzulande derartige Ausgaben von der Steuer absetzen können.

TAGESSPIEGEL: Was sonst liegt in unserer Macht?

EIGEN: Wir müssen den Russen helfen, endlich die notwendigen Institutionen, die bessere Wirtschaftsstruktur aufzubauen.

TAGESSPIEGEL: Aber ist Rußland nicht ein Faß ohne Boden?

EIGEN: Wir haben keine Alternative.Wir müssen die Zuwendungen weiter erhöhen.Soviel haben wir bislang auch gar nicht bezahlt.In die neuen Bundesländer floß enorm viel Geld, dagegen ist die Beteiligung an den Hilfspaketen für Rußland minimal.Allerdings sind die notwendigen Reformen nicht unbedingt eine Frage des Geldes.

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