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Wirtschaft: Deutsche Großkonzerne sind bei Einstellungen zögerlich

Trotz des Aufschwungs wollen einer Tagesspiegel-Umfrage zufolge nur sechs von 30 Dax-Unternehmen die Zahl ihrer Mitarbeiter in diesem Jahr erhöhen

Berlin (msh). Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs wollen die großen deutschen Konzerne nur wenige neue Arbeitsplätze schaffen. Nach einer Umfrage des Tagesspiegels unter den 30 im Deutschen Aktienindex Dax notierten Gesellschaften planen derzeit nur sechs Unternehmen, die Zahl ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Die große Mehrheit der Firmen will keine neuen Jobs schaffen, vier der Großunternehmen wollen sogar weiter Personal abbauen.

Nach drei Jahren der konjunkturellen Stagnation rechnen die großen Banken und Wirtschaftsforschungsinstitute in diesem Jahr wieder mit einem moderaten Wachstum zwischen 1,4 und 2,1 Prozent. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dass wieder mehr Menschen einen Job finden und die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosen bei 4,38 Millionen. Doch Wirtschaftsforscher sind skeptisch, ob das Wachstum ausreicht, um die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken.

Optimistisch in die Zukunft blicken vor allem die Hightech-Konzerne SAP und Infineon. Der Chiphersteller Infineon hat drei Jahre der Restrukturierung hinter sich und schreibt seit zwei Quartalen wieder schwarze Zahlen. Jetzt stehen die Zeichen wieder auf Expansion: Infineon will in Deutschland 400 neue Jobs schaffen, vor allem rund um das Halbleiterwerk in Dresden. Der Softwarekonzern SAP plant, in diesem Jahr rund 1500 neue Mitarbeiter einzustellen, davon aber nur rund die Hälfte in Deutschland. „Wir entwickeln an unserem Hauptsitz in Walldorf die neue Software Netweaver. Dafür stellen wir Experten ein“, sagt SAP-Sprecher Markus Berner. Viele Jobs werden aber in den Ländern entstehen, wo sich SAP ein stärkeres Wachstum erhofft als in Deutschland, darunter in den USA und mehreren asiatischen Ländern.

Vor einer ähnlichen Situation steht der Handelskonzern Metro. Seit mehr als zwei Jahren setzen dem deutschen Einzelhandel die Konsumflaute und die anhaltende Rabattschlachten zu; trotzdem konnte die Metro Umsatz und Gewinn steigern – dank einer erfolgreichen Expansion ins Ausland. Mit seinen Großmärkten erobert der Konzern Länder wie China, Indien oder die Ukraine. 6000 neue Beschäftigte braucht die Metro pro Jahr, um dieses Wachstum zu realisieren. „Die meisten Mitarbeiter stellen wir im Ausland ein, wo wir am stärksten wachsen“, sagt Metro-Sprecher Albrecht von Truchseß. „Wir schaffen jedoch auch in Deutschland neue Arbeitsplätze.“ Das ist besonders in den erfolgreichen Elektronikmärkten von Media Markt und Saturn sowie in den Großmärkten der Fall. Trotz der positiven Ausnahmen – auch Adidas, BMW und der Versicherungskonzern Münchener Rück wollen neue Jobs schaffen – sind die meisten Konzerne noch vorsichtig. 20 der Dax-Unternehmen gaben an, die Zahl der Mitarbeiter erst einmal stabil halten zu wollen.

Für fünf Dax-Unternehmen hält die Restrukturierung auch 2004 noch an, besonders in der zuletzt hart getroffenen Tourismusbranche. Neben der Wirtschaftsflaute setzten ihr der Irak-Krieg, die Lungenkrankheit Sars und die Angst der Reisenden vor dem Terror zu. Je 2000 Mitarbeiter müssen bei der Lufthansa und dem Touristikkonzern Tui gehen. Auch die Finanzbranche kommt nicht gerade gestärkt aus der Krise. Während die Hypo-Vereinsbank ihr Stellenabbauprogramm gerade beendet hat, stehen bei der Commerzbank weitere 2700 Stellen zur Disposition. Mit dem Sparprogramm will Vorstandschef Klaus-Peter Müller die Commerzbank fit für eine Fusion machen. Doch dies würde sicherlich noch mehrere tausend Jobs überflüssig machen.

Neue Jobs entstehen im Ausland

Die Ex-Staatskonzerne Telekom und Deutsche Post tragen noch einen großen Personalüberhang mit sich herum, wollen Stellen aber möglichst sozial verträglich abbauen.

Wirtschaftsforscher sind skeptisch, ob der Aufschwung in Deutschland schon in den kommenden Monaten die Wende auf dem Arbeitsmarkt bringen wird. „Die Kraft des Aufschwungs ist noch zu gering, um die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken“, sagt Joachim Scheide, Konjunkturforscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Erst bei einem Wirtschaftswachstum zwischen 1,5 und zwei Prozent entstehen in einer Volkswirtschaft neue Arbeitsplätze. Doch davon ist Deutschland noch weit entfernt. In den kommenden Monaten könnte die Arbeitslosigkeit nach Ansicht der Kieler sogar noch leicht steigen. „Eine Entspannung erwarten wir frühestens in der zweiten Jahreshälfte“, sagt Scheide. Mit 4,4 Millionen liegt die Zahl der Arbeitslosen nach Schätzung des Kieler Instituts im Jahresdurchschnitt ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres. Selbst die Bundesregierung ist zurückhaltend. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht geht sie für 2004 im Jahresschnitt von 4,28 Millionen Arbeitslosen aus – das wären nur 100000 weniger als im Vorjahr.

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