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Wirtschaft: Deutsche Kleinanleger erleiden Schlappe vor US-Gericht

Sammelklage gegen Hugo Boss abgewiesen / Telekom-Aktionäre wollen dennoch in den USA klagen

Berlin (hej). Die Hoffnungen deutscher Anleger, über den Umweg USA Schadenersatz für ihre Börsenverluste einzuklagen, haben einen heftigen Dämpfer erlitten. Am Donnerstagabend wies das Bezirksgericht New York die Sammelklage (siehe Lexikon oben) deutscher Aktionäre gegen die Hugo Boss AG ab. Die Kläger hatten Schadenersatz verlangt, weil sie sich von dem deutschen Bekleidungsunternehmen getäuscht gefühlt hatten. Nach Meinung der Anleger hatte die amerikanische BossTochter die Umsatzzahlen künstlich in die Höhe getrieben. Fest steht, dass der Konzern im Frühjahr 2002 bei einer Inventur der US-Tochter Rückstellungen und Bestandsdifferenzen in Höhe von acht Millionen Euro festgestellt hat. Daraufhin gab Boss eine Gewinnwarnung heraus. Die Aktie reagierte auf die Gewinnwarnung mit einem Kurssturz.

Unterstützt von der Münchner Kanzlei Rotter haben deutsche Boss-Aktionäre den Bekleidungskonzern in New York auf Schadenersatz verklagt und sind nun in der ersten Instanz gescheitert. „Wir prüfen ernsthaft, Rechtsmittel einzulegen“, sagte Bernd Jochem von der Kanzlei Rotter. Das Gericht habe anlegerfreundliche Präzedenzfälle der nächst höheren Instanz übersehen. Zudem sei es „verheerend“, wenn sich das New Yorker Bezirksgericht mit seiner Rechtsauffassung durchsetze. Das Gericht wies die Klage ab, weil die Geschäftszahlen – auch die der amerikanischen Boss-Tochter – in Deutschland veröffentlicht worden waren. Damit seien die US-Gerichte nicht zuständig.

Sollte sich das Gericht mit seiner Meinung durchsetzen, wäre das ein herber Rückschlag für deutsche Kleinaktionäre. Weil Aktionärsklagen in Deutschland bislang kaum Erfolg hatten, weichen Anlegeranwälte zunehmend auf Gerichte in den USA aus. „Die Klagen und die Beweisverfahren sind einfacher“, sagt Bernd Jochem. Allerdings müssen deutsche Anleger nachweisen, dass es einen Bezug zu amerikanischem Recht gibt. Diesen hat der Richter im Fall Boss offensichtlich nicht gesehen.

Auch in den Schadenersatzprozessen gegen die Deutsche Telekom wollen deutsche Anwälte in den USA auf Schadenersatz klagen. Allein die Übernahme des US-Mobilfunkunternehmens Voicestream durch die Telekom biete genügend Anlass, eine Klage in den USA zuzulassen, sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp: Der Anwalt vertritt zahlreiche Telekom-Aktionäre. Trotz der Boss-Entscheidung hält Tilp daran fest, Klage in den USA einzureichen.

Wie erfolgreich dieser Weg ist, ist aber selbst unter Anlegeranwälten umstritten. Anders als ihre Kollegen Rotter und Tilp rät die Münchner Anwältin Daniela Bergdolt von Klagen in den USA ab. „Wer in Deutschland und in den USA klagt, hat doppelte Kosten“, kritisiert die Juristin. Wer nur auf die USA setze, laufe dagegen Gefahr, dass die Ansprüche in Deutschland zwischenzeitlich verjähren. Hinzu komme, dass die Rechtsschutzversicherungen zwar für Schadenersatzprozesse in Deutschland, nicht aber für Verfahren in den USA zahlen. Dabei könnten die Anwaltskosten in den Vereinigten Staaten horrende Höhen erreichen. „Man muss sehr genau darauf achten, zu was man sich verpflichtet“, warnt die Anwältin.

Im Fall Boss arbeiten die amerikanischen Anwälte jedoch auf Erfolgsbasis, betont Rotter-Mitarbeiter Bernd Jochem. Die deutschen Kläger müssten nur dann zahlen, wenn die Klage letztendlich Erfolg hat. Allerdings gilt das nicht für das Honorar der Münchner. In dem Streit mit den Aktionären hat die Boss AG inzwischen den Spieß umgedreht und klagt ihrerseits. In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Bad Urach will Boss festgestellt haben, dass den Aktionären kein Schadenersatz zusteht.

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