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Wirtschaft: Deutsche Reeder ankern beim Kanzler

Neue Subventionen sollen Eigner abhalten, ihre Schiffe im Ausland anzumelden. Wirtschaftsforscher halten das für sinnlos

Berlin. Deutsche Reeder orientieren sich ins Ausland. Sie melden ihre Schiffe zunehmend in Ländern außerhalb der EU an. Damit umgehen sie hohe Lohnnebenkosten für deutsche Angestellte. „Deutsche Reeder brauchen im Wettbewerb konkurrenzfähige Personalkosten“, sagte Bundeskanzler Schröder, der um den maritimen Standort Deutschland fürchtet. Er hat entgegen allen Sparmaßnahmen durchgesetzt, dass die Subventionen für Reedereien 2004 aufgestockt werden. Die Freistellungsquote für das Einbehalten von Lohnsteuerzahlungen bei Reedereien wird von derzeit 40 Prozent ab 2004 auf 80 Prozent hochgesetzt. Letztendlich heißt das, dass kaum noch Lohnsteuern gezahlt werden. Da der neue Freibetrag erst einmal nur für zwei Jahre „ausprobiert“ werden soll, wird das Einkommensteuergesetz noch nicht geändert. Die benötigten 13 Millionen Euro pro Jahr für die Freibeträge werden aus dem Subventionstopf des Bundesverkehrsministeriums finanziert.

Die Bundesregierung hat gleich mehrere Argumente für die Subventionen parat: In der EU sei der Kampf um Subventionen ausgebrochen. Da auch in anderen EU-Ländern die Schifffahrt gefördert werde, müsse Deutschland mitziehen, damit deutsche Reeder wettbewerbsfähig bleiben. Verkehrsminister Manfred Stolpe erklärte, er wolle mit der Förderung der Seefahrt „Voraussetzungen schaffen, um den prognostizierten Anstieg im Güterverkehr in den kommenden Jahren besser zu bewältigen“. Auch die Gewerkschaft Verdi hat ein Argument parat, das von der Regierung gerne aufgegriffen wird: Es könnten neue Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer geschaffen werden. Derzeit nutzen deutsche Reeder Steuervorteile in anderen Ländern und lassen ihre Schiffe deshalb dort registrieren.

Deutsche Reeder fahren 1600 Schiffe unter fremder, knapp 500 unter deutscher Flagge. Immer mehr Schiffe werden ausgeflaggt. Alleine in den ersten drei Monaten des Jahres 2003 waren es 63 deutsche Schiffe, mehr als im gesamten Jahr 2002. Entsprechend hat sich auch die Zahl deutscher Seeleute verringert. Würden die Schiffe unter deutscher Flagge fahren, müsste eine bestimmte Anzahl deutscher Seeleute an Bord arbeiten. Die Quote hängt von der Größe des Frachters ab. Derzeit sind auf den über 2000 Schiffen deutscher Reeder etwa 8000 deutsche und knapp 4000 ausländische Seeleute beschäftigt. Die Gewerkschaft Verdi rechnet bei dem erhöhten Freibetrag bei der Lohnsteuer mit rund 1400 zusätzlichen Arbeitsplätzen für deutsche Arbeitnehmer. Dies ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern eine reale Perspektive. Denn die Bundesregierung hat sich mit den Subventionen eine Gegenleistung erkauft: Die Reeder haben zugesagt, binnen zwei Jahren 200 Schiffe unter deutsche Flagge zurückzuholen und somit auch wieder mehr deutsche Seeleute anzuheuern. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel sieht in den Steuererleichterungen trotzdem keinen Sinn. „Solche Subventionen sind nicht gerechtfertigt“, sagt er. „Derartige Extraregelungen müssen weg.“ Es gäbe keinen Grund, den einen die Lohnsteuer zu erlassen und den anderen nicht. „Wir müssen runter mit den Steuern für alle.“ Subventionsland Deutschland – in dieser Serie berichtet der Tagesspiegel über die milliardenschweren finanziellen Wohltaten des Staates für Bürger und Wirtschaft. Morgen: Warum Landwirte ihr Vieh mit Staatshilfe günstig versichern können.

Nora Luttmer

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