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Ein Riss geht durch die deutsche Solarindustrie. Viele Firmen stehen vor dem Aus, doch einige haben eine Chance.

© dapd

Deutsche Solarindustrie: Ein Riss durch die Branche

Die Pleitewelle in der deutschen Solarindustrie rollt vor allem durch Ostdeutschland. Werke schließen, Jobs gehen verloren. Und doch hat die Industrie hierzulande eine Zukunft.

First Solar ist der bisher letzte Fall. Der US-Fotovoltaikkonzern kündigte am Dienstag an, dass er zum Herbst seine beiden Werke in Frankfurt (Oder) schließen will. Die örtliche Agentur für Arbeit rechnet in den kommenden Monaten mit rund 1700 bis 1800 Anträgen auf Arbeitslosengeld. Neben den 1200 Frankfurter Angestellten von First Solar dürften auch Mitarbeiter von Zulieferern und vom kleinen Wettbewerber Odersun dazukommen, der vor zwei Wochen Insolvenz anmelden musste.

Keine Frage, für die selbst ernannte „Solarhauptstadt“ mit gerade einmal 60 000 Einwohnern wäre es ein „harter Schlag“, wie es Oberbürgermeister Martin Wilke auf den Punkt brachte. Doch bevor überhaupt klar ist, ob sich ein Käufer für die Werke findet, nehmen Sympathisanten der Industrie den Fall First Solar zum Anlass, nach weiteren Staatshilfen für die Solarmodulproduktion zu rufen. Konkret forderte etwa Hans-Josef Fell, ein Energieexperte der Grünen im Bundestag, „Staatsbürgschaften für die Modernisierung des Maschinenparks der Hersteller“ – was zumindest First Solar kaum helfen dürfte: Das zweite Werk samt Inventar steht noch nicht mal ein Jahr lang.

Q-Cells aus Thalheim, Solon aus Berlin, Solar Millennium aus dem fränkischen Erlangen: drei ehemalige Börsenstars, die seit Anfang Dezember in die Insolvenz gegangen sind. Diese Unternehmen befassen sich mit unterschiedlichen Technologien und stehen an unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfungskette (siehe Firmenporträts). Gemein ist diesen Unternehmen aber, dass sie sich sehr früh über den Börsengang finanziert haben und bei dem Boom um das Jahr 2007 herum teils gar nicht wussten wohin mit dem vielen Geld. Zudem fertigen sie alle relativ simple Produkte hierzulande.

Mancher Experte bezweifelt, dass das in Deutschland Zukunft hat: Matthias Kurth etwa, der bis Februar elf Jahre lang Präsident der Bundesnetzagentur war. Unter seiner Führung hatte die Behörde von der Bundesregierung zuletzt auch den Auftrag erhalten, die Energiewende mit zu koordinieren. „Die Produktion eines Solarpanels ist technologisch sicher nicht komplexer als die eines iPads oder eines Flachbildschirms“, sagte Kurth dem Tagesspiegel. In anderen Märkten habe man bereits gelernt, mit China arbeitsteilig zu kooperieren. „Apple etwa lässt seine Geräte auch in China zusammenbauen und behält die Wertschöpfung dennoch in den USA“, sagte Kurth.

Heute dominieren die Chinesen den Markt.

Das kann man als Appell verstehen, sich vom Standortpatriotismus zu verabschieden. Die Vorstellung, eine hohe Subventionierung von Sonnenstrom hierzulande würde auch heimischen Herstellern von Solarzellen und -modulen helfen, hat sich als Illusion erwiesen: Q-Cells und Solarworld aus Bonn waren vor fünf Jahren noch unter den Top zehn der größten Solarzellenhersteller weltweit. Im vergangenen Jahr belegten sie die Plätze 13 und 20. Chinesen dominieren heute die Rangliste (siehe Tabelle). Der Grund sind nicht geringere Löhne – der Automatisierungsgrad in der Solarzellenproduktion ist extrem hoch, Hände werden kaum noch gebraucht: Chinas Konzerne drücken die Preise durch die Produktion sehr großer Mengen. Unter dem daraus resultierenden Preisverfall leiden auch sie selbst.

Die Solarbranche ist im Wandel.
Die Solarbranche ist im Wandel.

© Tsp/Pieper-Meyer

„Weitere Konkurse werden sich aufgrund der gewaltigen Überkapazitäten nicht vermeiden lassen“, heißt es in einer umfangreichen Marktanalyse der Baseler Privatbank Sarasin von November 2011 für 20 Märkte. „Für die Solarindustrie dreht sich die bekannte Abwärtsspirale von sinkenden Einspeisetarifen, Rückgang des Nachfragewachstums, Überkapazitäten, Preis- und Margendruck also noch weiter.“ Die weltweit rund 250 Zell- und 500 Modulhersteller befinden sich in einer Konsolidierungsphase inklusive Kapazitätsabbau. Das muss nicht Kahlschlag bedeuten: Solon wurde aus der Insolvenz von dem indisch-arabischen Unternehmen Microsol übernommen, entwirft und fertigt weiter in Berlin Module, plant Solarparks und Dachanlagen. Nur wenige Mitarbeiter mussten gehen.

Auch andere gute Nachrichten der vergangenen Woche gingen im Schock der Frankfurter Werksschließungen unter: Der Technologiekonzern Bosch, der 2008 ins Fotovoltaikgeschäft eingestiegen ist, kaufte der Krisenfirma Conergy ihre Wechselrichter-Tochter Voltwerk ab und rettete so immerhin 100 Jobs. Der Tüv Rheinland, ebenfalls weltweit aufgestellt, erklärte sich anlässlich der Vorstellung seiner Jahreszahlen zum „Weltmarktführer in der Solarprüfung“. Auch Chinesen zahlen dafür, ihre Module nach deutschen Standards zertifizieren lassen. Solarworld aus Bonn, ein Unternehmen, das fast an allen Gliedern der Wertschöpfungskette steckt, gab bekannt, dass es Module für Asiens größten Solarpark im indischen Bundesstaat Gujarat liefern kann. Zudem meldete Solarworld am Freitag Erfolg bei Probebohrungen nach dem Rohstoff Lithium, der in Batterien gebraucht wird – im Erzgebirge.

Es gibt Schätzungen, wonach in Solaranlagen, die im Ausland gebaut werden, bis zu 40 Prozent Komponenten aus Deutschland stecken – vom Spezialklebstoff bis zum Wechselrichter vom Weltmarktführer SMA aus Kassel. Das hilft Frankfurts First-Solar-Mitarbeitern heute wenig, lässt aber vermuten, dass der Standort im Geschäft mit der Sonne auch künftig mitmischen kann.

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