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Wirtschaft: Deutsche wollen Arbeitszeit freier bestimmen

Sozialforscher: Zustimmung für starre Beschäftigungsmodelle sinkt / Mehr Wachstum durch weniger Feiertage

Berlin (rvr/hop). Flexiblere Regelungen bei der Jahresarbeitszeit werden in der deutschen Bevölkerung zunehmend positiv betrachtet. Der Widerstand gegen die Abschaffung von Feiertagen schwindet, wenn dafür die Flexibilität des Einzelnen zunimmt – das sind die Kernthesen der empirischen Sozialforscher. „Da ist mit Sicherheit ein gehöriges Maß an Toleranz vorhanden“, sagte der Chef der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim, Dieter Roth, dem Tagesspiegel. Seinen Befragungen zufolge besteht seit rund zehn Jahren ein stetiger Trend hin zu wachsendem Verständnis für flexiblere Arbeitszeitmodelle. Die Bevölkerungsmehrheit begrüße vor allem solche Vorschläge, die den eigenen Planungsspielraum vergrößerten, sagte Roth.

Damit räumt der Meinungsforscher mit dem Vorurteil auf, dass die deutschen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht bereit seien, über flexiblere Arbeitszeiten zu reden und dafür auch Tabuthemen anzugehen. Die Diskussion über die Zahl und die Lage der Feiertage in Deutschland war von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zu Beginn der Woche angestoßen worden, um die Arbeitskosten zu senken und die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu verbessern. Die Unternehmerverbände stellten sich hinter den Vorstoß, die Gewerkschaften sind gegen Abstriche bei den bezahlten Feiertagen.

Roth meint, dass vor allem die Umwandlung festliegender Feiertage in eigenständig platzierbare „FlexTage“ auf Zustimmung bei der Bevölkerung stoßen dürfte. „Sofern die Bürger nur einen Zugewinn an eigener Flexibilität bei ihrem Zeitmanagement sehen, sind sie geneigt, Reformen zuzustimmen“, sagte Roth.

Widerstand gegen die Abschaffung von Feiertagen oder die Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erwartet er nur für den Fall, dass ein solcher Schritt nicht durch erhöhte individuelle Spielräume kompensiert wird. So lehnen nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest-dimap 81 Prozent der Deutschen die einfache Abschaffung eines Feiertages ab. Und auch angesichts des Widerstands sowohl der Gewerkschaften als auch der Kirchen hält Roth eine einseitige Streichung von Feiertagen für „ein Thema sehr begrenzter Reichweite“ und für ein Modell „ohne Aussicht auf Erfolg“. Hier verhalte sich die Mehrheit weiterhin als „Gewohnheitstier“.

Die harsche Kritik, die Ex-Kanzler Helmut Kohl nach der Rüge des „Freizeitparks Deutschland“ entgegenschlug, bezieht sich laut Roth nur auf die „Verbalinjurie“, die der ehemalige Regierungschef der Bevölkerung zugemutet habe. Grundsätzlich gelte aber, dass die Verlagerung weg von starren, kollektiven Regelungen der Jahresarbeitszeit hin zu individuell verfügbaren Zeiten der Arbeitsruhe etwas sei, das im „zunehmend klügeren Volk“ auf wachsende Zustimmung stoße.

Volkswirte warnen aber, das Streichen eines Feiertages werde die lahme Konjunktur nicht schnell beleben. Denn durch den zusätzlichen Arbeitstag steigt nur die Produktion und damit das Angebot an Waren, aber nicht die Nachfrage. Die langfristigen Auswirkungen wären jedoch aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus positiv. Arbeiten die Menschen einen Tag mehr im Jahr, sinken so die Kosten der Unternehmen. Zum einen sind das die Arbeitskosten, weil die Unternehmen beim ersatzlosen Streichen eines Feiertages mehr Arbeitsleistung für das gleiche Geld erhalten. Zum anderen steigt auch die Auslastung der Werke, weil sie einen Tag weniger stillstehen. Investitionen können sich so schneller rentieren.

Je niedriger die Produktionskosten liegen, desto wettbewerbsfähiger ist die Wirtschaft. Dadurch könnte der Absatz stabil gehalten oder gar ausgeweitet werden. Auch Exporte würden – wegen der besseren Preise – einfacher. Die Unternehmen würden dadurch langfristig wachsen und Arbeitsplätze sichern können.

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