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Wirtschaft: „Deutschland ist nicht mehr immun“

ZEW-Index stürzt ab / Spanien zahlt Rekordzins.

Frankfurt am Main - Anleger am Renten- und Devisenmarkt haben am Dienstag auf neue Unterstützung der Zentralbanken in der Schuldenkrise gesetzt. Die Nervosität blieb allerdings sehr hoch: In Griechenland scheint sich die Regierungsbildung bis zum Wochenende hinzuziehen. In Deutschland brach der ZEW-Index im Juni so stark ein wie zuletzt im Oktober 1998, und Spanien muss für neue zwölf- und achtzehnmonatige Anleihen den Investoren mehr als fünf Prozent an Zinsen zahlen. So tief musste Madrid seit November 2011 nicht mehr in die Tasche greifen. Das war kurz bevor sich die EZB genötigt sah, die Wirtschaft mit zwei – insgesamt eine Billion Euro schweren – Geldspritzen zu stützen. Die Rendite auf zehnjährige spanische Anleihen lag am Nachmittag knapp über sieben Prozent, im späten Vortagesgeschäft war sie noch bis auf 7,3 Prozent gestiegen.

Konjunkturdaten aus Deutschland erschreckten Anleger ordentlich: Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erfasste Konjunkturindex fiel im Mai von plus 10,8 auf minus 16,9 Punkte. Die Umfrage unter Finanzmarktexperten wurde allerdings größtenteils vor der Wahl in Griechenland abgeschlossen, aus der die Spar-Befürworter als Sieger hervorgingen. „Die Risiken einer markanten Konjunkturabschwächung in wichtigen Handelspartnerländern sind unübersehbar“, sagte ZEW-Präsident Wolfgang Franz. „Hinzu kommt die nach wie vor brenzlige Lage im Euro-Raum.“ Gelassen reagierten Investoren: Der Dax gab zwar kurzfristig Gewinne ab, notierte aber relativ schnell wieder im Plus.Die Deutschen könnten jetzt nicht mehr behaupten, dass sie immun seien gegen die Schuldenkrise, sagte François Savary, der für die schweizerische Bank Reyl die Investments verantwortet. „Alles deutet in Richtung einer neuen Liquiditätsspritze.“ Der Experte geht davon aus, dass die EZB im Juli die Zinsen senken wird.

Notenbankchef Mario Draghi hatte im Mai gesagt, dass nicht die EZB, sondern die Politik zur Bewältigung der Krise in der Verantwortung stehe. Er sprach allerdings auch von hohen Abwärtsrisiken für die hiesige Wirtschaft und praktisch nicht vorhandenen Inflationsrisiken. Analysten werteten das als Hinweis auf eine möglicherweise bevorstehende Zinssenkung.

Auch der Blick über den Atlantik ging in Richtung Notenbank. Die Federal Reserve beginnt am Abend ihre Zinssitzung und wird an diesem Mittwoch ihre Entscheidung bekannt geben. Angesichts der weiter lahmenden US-Konjunktur gehen Strategen davon aus, dass die Fed ihre „Operation Twist“ verlängern wird. Dabei tauscht die Notenbank kurzlaufende Anleihen gegen längerlaufende, um so die langfristigen Zinsen niedrig zu halten und dadurch die Wirtschaft zu stützen. rtr

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