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Wirtschaft: Deutschland umsonst

Wie Sie essen, trinken oder reisen können, ohne dafür einen Cent zu zahlen / Aber Verbraucherschützer warnen: Die Gratis-Angebote haben ihre Tücken

Von Susanne Herr

Von A wie Anhänger oder AEG-Einbauherd über J wie Jugendstil-Klavier oder T wie Tischtennisplatte bis hin zu Z ( Zweisitzer, zwei Betten) ist alles zu haben - völlig kostenlos. Seit 20 Jahren ist die Rubrik „Verschenke“ ein absoluter Renner in den Kleinanzeigen der Berliner Anzeigenzeitung „Zweite Hand“. An Samstagen gibt es regelmäßig bis zu 240 geschenkte Angebote, an Wochentagen rund 130. „Von hochwertigen Produkten bis zum Ramsch ist alles dabei“, meint Dorothea Kießling von der „Zweiten Hand“. Die Seiten würden von den Lesern „ sehr gerne durchforstet.“

Die Idee, Dinge, die man nicht mehr braucht, zu verschenken, ist weiter verbreitet als man glauben könnte. Es gibt sogar eigene Websites, zum Beispiel www.alles-und-umsonst.de . „Manche Sachen haben keinen Marktwert mehr, können aber immer noch gebraucht werden“, erklärt Gründer Stefan Zimmermann. Mehr als 500 Angebote, die laufend aktualisiert werden, gibt es auf seiner Seite. Auch ein Segelboot hat auf www.alles-und-umsonst.de bereits den Besitzer gewechselt. „Der Beschenkte musste zwar ein bisschen rumbasteln“, gibt Zimmermann zu, „aber er hat es wieder flott gekriegt und sich nach dem ersten Segeltörn bei uns bedankt.“ Inserenten auf www.alles-und-umsonst.de hinterlassen ihre E-Mail-Adresse und entscheiden selbst, wem sie Waschmaschine, Fernsehgerät oder gar ihr altes Auto überlassen. Der Vorteil für die Spender: Sie müssen sich keine Gedanken mehr über die spätere Entsorgung ihrer Sachen machen.

Aber nicht nur Privatleute zeigen ein Herz für Schnorrer. Auch immer mehr Unternehmen haben einiges zu verschenken - wenn auch aus handfesten, wirtschaftlichen Gründen. In den Anzeigen von Zeitungen und Zeitschriften wimmelt es von kostenlosen Espressomaschinen, Mountainbikes, edlen Uhren und Einkaufsgutscheinen. Die staubt man freilich nur ab, wenn man gleichzeitig ein Abo abschließt. Das ist oft nur ein paar Euro teurer als das Geschenk selbst. Beispiel: 125 Euro Cash gibt es für ein Jahresabo der „Wirtschaftswoche“, das den Abonnenten selbst 127,20 Euro kostet. Netto macht das für 52 Hefte also 2,20 Euro - 60 Cent weniger als ein Einzelheft am Kiosk. Die Verlage leisten sich solche Aktionen, um die Zahl ihrer Abonnenten zu steigern. Denn diese bestimmt, wie attraktiv das Medium für Anzeigenkunden ist.

Wer keine Lust auf so viel Lesestoff hat, kommt an die guten Gaben von Unternehmen meist nur über die Angabe seiner Adresse heran. „Firmen, die etwas verschenken, erwarten auch etwas dafür. Uneigennützig handelt keiner“, sagt Raymond Wiseman, Mitgründer der Website www.kostenlos.de , die seit 1997 kostenlose Angebote im Netz sammelt. Um an qualifizierte Kundenadressen zu kommen, würden Firmen vieles tun, sagt Wiseman: „Je mehr Daten Sie preisgeben, desto hochwertiger werden die Geschenke.“ Wer nichts gegen spätere Werbesendungen im Briefkasten hat, kann sich so auch schon einmal ein Handy im Wert von 150 Euro sichern. Üblich sind außerdem Produktproben aller Art, vom Kasten Bier ( www.thorbraeu.de ) bis zum Parfüm ( www.parfuemversand.de ).

Werbeflut droht

Doch vor der Preisgabe ihrer persönlichen Daten schrecken viele Verbraucher zurück - zu Recht, wie Gabriele Francke von der Verbraucherzentrale Berlin findet. „Die Gefahr ist groß, im internationalen Adressenhandel zu landen. Dann quillt der Briefkasten bald völlig über“, warnt sie. Man solle solche Kostenlos-Aktionen genau überprüfen, bevor man sich für eine Teilnahme entscheide. Gefahr droht auch, wenn die Gier nach dem Präsent den Blick aufs Kleingedruckte verstellt. Denn schnell hat man mit seiner Unterschrift nicht nur ein Geschenk angefordert, sondern auch Waren gekauft oder ist andere Verpflichtungen eingegangen, die man eigentlich gar nicht wollte. „Wenn ein Geschenk mit Zusatzkosten verbunden ist, muss das für den Verbraucher transparent sein“, erklärt Hans-Frieder Schönheit, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. „Die Firmen dürfen den Verbrauchern nichts unterschieben.“ Doch lästig wird der Streit um den Vertrag allemal.

Von solchen schwarzen Schafen will sich die Adressenmanagement-Firma Claritas Deutschland Data + Services GmbH klar abgrenzen. Wer unter http://freegift4you.de an ihrer Online-Umfrage teilnimmt, erhält eine Kleinbildkamera gratis. „Wir vermieten die Adressen der Verbraucher an unsere Kunden“, erklärt Manager Thom Brinkhof . „Auf unserer Internetseite erklären wir den Verbrauchern aber genau, was wir mit ihren Daten vorhaben.“ Wer die Kamera bekommen möchte, muss vorher sein Einverständnis für die Datenweitergabe geben. Um zu dokumentieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht, arbeitet Claritas mit dem Hessischen Datenschutz zusammen. Dass die etwa 400 000 Teilnehmer, die bei der Online-Umfrage schon mitgemacht haben, im Werbemüll ersticken, glaubt Brinkhof nicht: „Wir helfen den Firmen, die richtige Zielgruppe zu finden. Nur an diese schicken sie dann die Werbung." Außerdem gilt: Wer sich bei Claritas beschwert, dessen Daten werden sofort wieder gelöscht – die Kamera darf man aber behalten. Klar ist für Brinkhof aber auch, dass ein seriöses Unternehmen keine superteuren Geschenke machen kann.

Wer hochwertige kostenlose Produkte sucht, der sollte also weniger auf Unternehmen hoffen. Privatleute bieten dagegen in Tauschbörsen manches schöne Stück an. Die Teilnehmer müssen dort aber auch selbst einiges zu bieten haben: Das Ferienappartement in Kapstadt gibt es nur gegen eine gleichwertige Unterkunft in Dänemark oder Portugal ( www.fewo-tausch.de ). Den kaum gebrauchten PC will ein Anbieter gegen ein Laptop tauschen. Und zwei Karten für ein Grönemeyer-Konzert in Berlin tauscht eine Anbieterin nur gegen zwei Karten für das Konzert in Leipzig (beide auf www.tauschboerse-deutschland.de ).

Eine gute Alternative zum bloßen Schenken sind Tauschbörsen aber auch deshalb, weil manche private Schenkaktion wohl nicht ganz ernst gemeint ist. Zum Beispiel das Angebot von Veronica aus Krefeld bei alles-und-umsonst.de, den 17-jährigen Bruder Lukas „an Selbstabholer“ zu verschenken. Außerdem erreicht die Freizügigkeit der Mitmenschen irgendwann einfach ihre Grenzen. Auf „Suche eine Million Euro, hole auch ab“ hat sich bei www.alles-und-umsonst.de bisher zumindest noch niemand gemeldet.

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