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DGB-Chef Reiner Hoffmann (Mitte), geht auf Distanz zu GDL-Chef Claus Weselsky. Rechts im Bild: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

© dpa

DGB-Chef Hoffmann über den Streik der Lokführer: „Weselsky will keinen Kompromiss und keine Kooperation“

DGB-Chef Reiner Hoffmann glaubt, dass die GDL den Konflikt in die Länge zieht, um gegen das Tarifeinheitsgesetz klagen zu können. Das sagt er im Interview mit dem Tagesspiegel.

Herr Hoffmann, GDL und Bahn haben sich offenbar festgefahren. Gibt es keine Alternative zum Streik?

Selbstverständlich haben die GDL und ihr Vorsitzender Claus Weselsky eine Alternative. Doch wer nach acht Streiks noch immer nicht auf die Zielgerade kommt, der weckt Zweifel, dass er an dieser Alternative ernsthaft interessiert ist.

Weselsky will gar keinen Kompromiss?
Er führt jedenfalls eine Auseinandersetzung auf dem Rücken der Beschäftigten. Zum einen möchte er den Einflussbereich seiner Gewerkschaft ausweiten.

Das ist legitim.
Ja. Aber rechtfertigt der Zweck die Mittel? Ende vergangenen Jahres haben der Vorsitzende der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG und ich auf der einen Seite dem Bundesvorsitzenden des Beamtenbundes und Weselsky auf der anderen Seite den Vorschlag für eine Kooperation gemacht: Die Gewerkschaft sollte in dem Bereich die Tarifführerschaft haben, in dem sie am stärksten ist. Weselsky hat das leider abgelehnt, weil er offenbar nicht an einer Kooperation interessiert ist.

Er hat Angst vor dem Anfang Juli in Kraft tretenden Gesetz über die Tarifeinheit, weil dann die Mehrheitsgewerkschaft – bei der Bahn ist das die EVG – den Ton angibt.
Das ist mein zweiter Punkt: Weselsky will augenscheinlich das Gesetz abwarten, um dann im Zusammenhang mit dem schwelenden Konflikt gegen das Gesetz klagen zu können. Er instrumentalisiert die Beschäftigten der Bahn und die Kunden der Bahn gegen das Gesetz über die Klarstellung der Tarifeinheit. Das geht zu weit, um es vorsichtig zu sagen.

Weselsky behauptet, die Bahn würde auf das Gesetz warten.
Das Verhalten Weselskys spricht dagegen. Die meisten Fragen sind längst geklärt: Er darf für seine Mitglieder bei der Bahn einen Tarif machen, und auch bei der zuletzt umstrittenen Frage der Eingruppierung der Lokrangierführer ist man fast einig. Hier ging es zuletzt nur noch um die Verteilung von Zulage und Entgelt. Da aber 300 verbeamtete Lokrangierführer wegen des Beamtenrechts keine Zulage bekommen, schlägt Weselsky an dem Punkt nicht ein. Das zeigt aber den Irrsinn: Wegen 300 Beamten breche ich doch keinen Streik vom Zaun und lege das halbe Land lahm.

Es sei denn, ich will die Tarifpluralität gegen die Tarifeinheit verteidigen. Das wollen auch drei DGB-Gewerkschaften.
Diese haben die Befürchtung, dass das Streikrecht eingeschränkt werde könnte. Die Sorge ist legitim, und auch ich kann das im Einzelfall nicht ausschließen. Und zwar für den Fall der Tarifkollision: Zwei Gewerkschaften sind in einem Konflikt über Tarifverträge für dieselbe Beschäftigtengruppe in einem Betrieb. In diesem Fall hat der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft Vorrang, was dazu führen kann, dass ein Arbeitskampf der Minderheitsgewerkschaft von einem Arbeitsgericht für unverhältnismäßig erklärt werden kann. Deshalb ist es ja auch Ziel des Gesetzes, die Tarifpartnerschaft zu fördern. Wenn es bei der Bahn eine Tarifpartnerschaft von GDL und EVG gäbe, dann würde das Gesetz hier nicht greifen.

GDL und EVG sind sich in Abneigung zugetan. Auch deshalb kann das Gesetz sehr wohl die GDL an die Kette legen.
Es gab über die Jahre ein Kooperationsabkommen bei der Bahn, das ein kooperatives Miteinander der beiden Gewerkschaften sicherstellte. Dieses Abkommen ist von Weselsky gekündigt worden. Er will keine Kooperation. Und das ist ein Fehler, denn langfristig wird eine kleine Berufsgruppe, die ihre Partikularinteressen durchzusetzen versucht, nicht erfolgreich sein. Das zeigt im übrigen auch die Tarifpartnerschaft von DGB-Gewerkschaften mit dem Beamtenbund im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge: Gemeinsam sind wir stärker und können für die breite Masse der Beschäftigten ordentliche Löhne durchsetzen.

Das Gespräch führte Alfons Frese

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