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Wirtschaft: DGB will gegen Billigjobs klagen

Verschärfte Zumutbarkeit für Langzeitarbeitslose führe zu „Apartheid auf dem Arbeitsmarkt“

Berlin (alf/asi). Der DGB will gegen die Ausweitung von Billigjobs vor Gericht gehen. Sofern von Langzeitarbeitslosen auch die Annahme von Jobs verlangt wird, die unterhalb des üblichen Tariflohns liegen, verstößt das nach Ansicht des DGB gegen das Gleichheitsgebot. „Wenn ein Arbeitsloser in einen Betrieb vermittelt wird und dort zum Beispiel ein Drittel weniger verdient als die restlichen Beschäftigten, dann wird der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt“, sagte HansJoachim Schabedoth, Leiter der DGB-Grundsatzabteilung am Montag dem Tagesspiegel. Der DGB werde den Betroffenen Rechtsschutz gewähren. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte unterdessen die Regierung, vom Reformkurs abzuweichen. In dem Fall wäre der Aufschwung gefährdet.

Vergangenen Dezember war im Vermittlungsausschuss beschlossen worden, dass Langzeitarbeitslose vom 1. Januar 2005 an auch Arbeiten annehmen müssen, die unter dem gültigen Tarif liegen. Diese so genannte Verschärfung der Zumutbarkeit führt Schabedoth zufolge zu „Apartheid auf dem Arbeitsmarkt“. Der Deutsche Gewerkschaftsbund werde Anfang kommenden Jahres, wenn es die ersten Fälle gebe, juristisch klären lassen, „ob die Zumutbarkeit zumutbar ist“, sagte Schabedoth.

Betroffen von den verschärften Zumutbarkeitsregelungen sind ab 2005 Langzeitarbeitslose, also alle, die mehr als ein Jahr lang arbeitslos gemeldet sind. Sie müssen jede legale Arbeit annehmen, auch Teilzeitjobs und Minijobs. Die Forderung von SPD-Linken und Grünen, dass mindestens ein ortsüblicher Lohn gezahlt werden müsse, wurde im Vermittlungsverfahren auf Druck von CDU/CSU gestrichen. Eine Gefahr von Dumpinglöhnen sieht die Bundesregierung in der neuen Regelung nicht. Zu niedrige Löhne seien nicht möglich, da sie sittenwidrig wären, heißt es. Deshalb wurden auch Forderungen nach einem Mindestlohngesetz abgewiesen. Die Neuregelung der Zumutbarkeit ist Teil des als Hartz IV bekannten Gesetzespaketes, das die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe regelt. Etwa 2,7 Millionen bisherige Empfänger von Arbeitslosenhilfe und erwerbsfähige Bezieher von Sozialhilfe sind davon betroffen.

Abendessen beim Kanzler

Am Montagabend wollten die fünf geschäftsführenden Vorstandsmitglieder des DGB sowie die neun Bezirkschefs im Rahmen eines Abendessens Bundeskanzler Gerhard Schröder unter anderem ihre Bedenken gegen die Zumutbarkeitsregel vortragen. Für den 3. April haben die deutschen Gewerkschaften in Berlin, Köln und Stuttgart zu Demonstrationen gegen die Sozialpolitik der rot-grünen Regierung aufgerufen.

Der Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Harald Reutter, bewertet das Wahlergebnis von Hamburg am Montag als „eindeutiges Signal, dass die Leute mit Rot-Grün nicht einverstanden sind“. Auch für Verdi sei die Verschärfung der Zumutbarkeit eine dicke Kröte, weil „Vollzeitjobs unter die Armutsgrenze“ gedrückt würden, sagte Reutter dem Tagesspiegel. Seiner Ansicht nach müsse man „über einen gesetzlichen Mindestlohn nachdenken“. Die schwere Wahlniederlage der SPD hängt Reutter zufolge auch mit der Gesundheitspolitik zusammen. „Eintrittsgeld in der Praxis und noch höhere Zuzahlungen schlagen richtig rein.“ Der Verdi-Sprecher geht nun davon aus, dass die Bürger ihrem Unmut bei den Demonstrationen am 3. April Luft machen werden. Bei den Großdemonstrationen solle der Regierung gezeigt werden, dass Hunderttausende nicht mit der Politik einverstanden sind. „Der Protest hat ein Gesicht“, sagte Schabedoth. Die Protestler würden der Regierung deutlich machen, „wir sind die Wähler vom 22. September und keine Geisterfahrer“. Die Demos in Deutschland stehen unter dem Motto „Aufstehen, damit es endlich besser wird“. Am gleichen Wochenende gibt es europaweit Proteste gegen Sozialabbau.

Arbeitgeberpräsident Hundt warnte die Bundesregierung am Montag vor einem Kurswechsel bei den Sozialreformen. „Eine Umkehr wäre für die weitere Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Deutschland verheerend“, sagte er. Schröder könne er „nur auffordern, derartigen Interessen nicht nachzugeben“, sagte Hundt mit Blick auf kritische Stimmen aus dem Koalitions- und Gewerkschaftslager. „Wir sehen mit Sorge, dass ein Reformstopp droht, teilweise sogar eine Reformumkehr.“ Hundt mahnte ein verschärftes Reformtempo an, ansonsten werde der Anpassungsdruck an die Realität nur größer. Trotz der bereits von der Bundesregierung beschlossenen Reformen habe sich am „traurigen Rekord“ der Sozialbeiträge von insgesamt 42 Prozent nichts geändert.

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