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Wirtschaft: „Die Arbeitsagenturen sind zu langsam“

Thomas Reitz, Deutschland-Chef von Manpower über die Nürnberger Behörde, Vermittlungsprobleme und die Zukunft der Zeitarbeit

Herr Reitz, die Unternehmen in Deutschland bauen Personal ab und die Regierung senkt die Wachstumsprognose. Gibt es da überhaupt genug Stellen, die Manpower vermitteln kann?

Sogar eine ganze Menge. Manpower hat im vergangenen Jahr 17,5 Prozent Umsatzwachstum hingelegt und auch für dieses Jahr gehen wir von einer zweistelligen Wachstumsrate aus. Wir haben zwar fast fünf Millionen Arbeitslose, trotzdem gibt es in der Wirtschaft etwa eine Million unbesetzte Stellen.

In welchen Bereichen mangelt es denn besonders an Personal?

IT-Spezialisten und Ingenieure. Und auch im Dienstleistungsbereich steigt die Nachfrage.

Geht es der Zeitarbeitsbranche nicht auch deswegen so gut, weil die Unternehmen sich lieber Mitarbeiter ausleihen, anstatt sie fest einzustellen?

Es stimmt, Zeitarbeiter sind in vielen großen Unternehmen mittlerweile ein fester Bestandteil. Vor zehn Jahren hatte Zeitarbeit eher eine Feuerwehrfunktion, wenn eine Sekretärin krank wurde, dann brauchte man kurzfristigen Ersatz. Heute aber beschäftigen Unternehmen nur noch 70 Prozent des Personalbedarfs selbst. Der Rest wird mit befristeten Verträgen und Zeitarbeit geregelt.

Also werden durch Zeitarbeit letztlich Arbeitsplätze vernichtet?

Nein. Denn stünden den Firmen keine Zeitarbeiter zur Verfügung, dann müssten die vorhandenen Mitarbeiter die Mehrarbeit erledigen. Neue Jobs würden aber nicht entstehen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass der Anteil der Zeitarbeiter künftig weiter zunehmen wird.

Wie hoch ist der Anteil denn derzeit?

Etwa ein Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind Zeitarbeiter, in fünf Jahren werden es doppelt so viele sein. Der europäische Durchschnitt liegt bereits bei 2,5 Prozent.

Warum sind Sie so sicher, dass die Zeitarbeit zunehmen wird?

Weil in Deutschland mit der Vermittlung von Jobs zunehmend private Firmen beauftragt werden. Ein Trend, der überfällig war und den andere europäische Länder längst vollzogen haben.

Was machen Sie denn bei der Vermittlung anders als die Arbeitsagenturen?

Unsere Hauptaufgabe ist vertrieblicher Natur, wir gehen aktiv in die Unternehmen und versuchen, dort unsere Leute unterzubringen.

Wenn Sie das so gut können, brauchen wir dann überhaupt noch eine Behörde wie die Bundesagentur für Arbeit?

Ja, wir brauchen eine Verwaltungsbehörde. Schließlich geht es um eine Versicherungsleistung, und die muss staatlich kontrolliert werden. Außerdem werden wir private Vermittler nicht für fünf Millionen Menschen Arbeit finden können. Es wird immer ein Restgröße geben, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt einfach nicht mehr in Beschäftigung zu bringen ist. Aber das eigentliche Problem ist, dass die Arbeitsagenturen auch bei gut vermittelbaren, qualifizierten Leuten zu langsam sind. Da brauchen sie im Schnitt fünf Monate, um einen Jobsuchenden wieder in Lohn und Brot zu bringen.

Und wie lange braucht ein privater Vermittler dazu?

Im Schnitt eine Woche.

Aber die Bundesagentur für Arbeit will ja nun besser werden. Sie baut ihre 189 Agenturen zu Kundenzentren um, die schnell und unbürokratisch arbeiten sollen.

Das ist die schöne bunte Welt der Theorie. Schauen Sie sich doch nur die Vermittlungszahlen aus dem vergangenen Jahr an, die liegen deutlich unter denen von 2003. Bei Manpower betreut ein Mitarbeiter 25 bis 30 Kandidaten, für deren Vermittlung er verantwortlich ist. In den Arbeitsagenturen kommen auf einen Vermittler über 500 Arbeitslose, auch wenn man jetzt dabei ist, den Betreuungsschlüssel zu verbessern. Etwa für Langzeitarbeitslose, also die schwierigen Fälle, auf eins zu 150. Aber damit ist die Quote immer noch fünfmal höher als bei uns.

Sollte sich dann nicht die Bundesagentur nur noch um Verwaltung kümmern und die Privaten übernehmen das Vermitteln?

Auch wenn die Bundesagentur da nicht freiwillig mitmachen würde, gibt es eine Tendenz dahin. Die 69 Kommunen, die jetzt eigenständig Langzeitarbeitslose betreuen, sind ein Pilotprojekt, das in diese Richtung geht – eine von den Arbeitsagenturen unabhängige Vermittlung.

Aber es gibt doch in Deutschland schon Vermittlungsgutscheine der Bundesagentur, mit denen sich ein Arbeitsloser an eine private Firma wie Manpower wenden kann. Nur ist der Erfolg sehr gering, denn durch die Gutscheine sind kaum Jobsuchende in Beschäftigung gebracht worden.

Das stimmt, bei uns werden die Gutscheine zu wenig genutzt. Das liegt auch an der Geschwindigkeit, mit der wir agieren, da bleibt keine Zeit für Bürokratie. Aber die Gutscheine sind ein Bereich, in dem wir künftig mehr tun werden.

Sie sind ja auch in das Geschäft mit den Personal-Service-Agenturen (PSA) eingestiegen, die wie Zeitarbeitsfirmen funktionieren und von der Bundesagentur subventioniert werden.

Manpower hat in den letzten zwei Jahren über 40 PSAs eröffnet – und erfolgreich geführt. Dann wurden uns durch Hartz IV die ersten PSAs gekündigt. Heute sind es nur noch 25 und Ende des Jahres werden es wahrscheinlich nur noch zehn sein.

Schließen Sie die PSAs, weil sie nicht erfolgreich sind?

Zum Teil, aber auch weil die Arbeitsagenturen die Verträge nicht verlängern, um so wohl still und leise die Personal-Service-Agenturen in der Versenkung verschwinden zu lassen. Wir werden jedoch einige PSAs, die profitabel arbeiten, erhalten und in Zeitarbeitsfirmen umwandeln.

Der Bundestag hat vergangene Woche beschlossen, das Entsendegesetz auszuweiten. Was bedeutet das für die Zeitarbeit?

Noch mehr unnötigen bürokratischen Aufwand. Wir haben schon Erfahrungen mit dem Entsendegesetz, das bisher ja nur für das Bau- und Baunebengewerbe gilt. Da müssen wir den festgelegten Mindestlohn bereits zahlen. Wenn das Gesetz ausgeweitet wird, dann wird der Gehaltsdschungel für die Zeitarbeitsfirmen noch komplizierter, zumal es in unsere Branche auch einen eigenen Tariflohn gibt.

Aber schützt eine Ausweitung des Entsendegesetzes Ihre Branche nicht auch davor, dass sich deutsche Unternehmen künftig günstigere Arbeitskräfte bei Zeitarbeitsfirmen in Polen oder Tschechien ausleihen?

Ja, das ist richtig. Daher ist das Veto der Bundesregierung gegen die EUDienstleistungsrichtlinie berechtigt – kurzfristig gesehen. Langfristig aber können wir hier nicht so tun, als wenn wir hinter einer Mauer leben. Wir müssen uns dem Wettbewerb stellen.

Das Gespräch führte Dagmar Rosenfeld.

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