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Wirtschaft: Die Bahn fährt Lastwagen

Das Deutschland-Geschäft der Bahn steht unter Druck. Nun expandiert sie im Ausland – mit der Lkw-Sparte

Berlin - Die Deutsche Bahn setzt bei ihrer internationalen Expansion auf die Logistiktochter Stinnes – und dort auf die Speditionssparte. Hier werde in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der Investitionen liegen, weniger in den Sparten Schienengüter- und Personenverkehr, die bisher im Fokus gestanden haben, sagte Joachim Fried, Europa- und Wettbewerbsbeauftragter der Bahn, dem Tagesspiegel am Sonntag. Grund seien die wegen der hohen Verschuldung begrenzten Mittel des Konzerns. „Die Bahn erreicht hier die Grenze ihrer Leistungskraft“, sagte Fried. „Wir können nicht unbegrenzt Eigenmittel investieren, das ist klar.“ Die Logistik habe „klare Priorität“.

Die Bahn hat derzeit Schulden von knapp 20 Milliarden Euro. Mit dem ursprünglich für 2006 geplanten Börsengang wollte sich der Konzern neue Geldquellen für Investitionen erschließen. Daraus wird vorerst nichts – die Bundesregierung hat die Teil-Privatisierung auf die Zeit nach 2006 verschoben. Zugleich steht die Bahn in wichtigen Geschäftsfeldern unter Druck, vor allem im Inland im Personen- und Gütergeschäft auf der Schiene. Ausnahme: die Lkw-Sparte.

„Ein Logistikzentrum in China wirft eine wesentlich höhere Rendite ab als die meisten Verträge im Schienenpersonenverkehr“, sagte Fried zu den neuen Plänen. Die Stinnes-Speditionstochter Schenker expandiert zudem in Osteuropa. Für den Warentransport auf der Schiene sieht Fried eher Chancen im Ausland – etwa beim Verkehr über Russland nach China. Hier plant die Bahn Güterzüge, die binnen 14 Tagen über die transsibirische Eisenbahn das asiatische Land erreichen. „Das wäre schneller als das Schiff und billiger als das Flugzeug und könnte zum Beispiel bei Computerteilen interessant sein“, sagte Fried. Bis 2015 könnten die Frachtmärkte nach Russland und über Russland hinaus um je 200 Prozent wachsen. Auf die Liberalisierung des europäischen Schienengüterverkehrs 2007 bereite sich die Bahn mit dem Kauf kleiner Bahnunternehmen, zuletzt in Italien, und mit Kooperationen vor.

Für den Güterverkehr auf der Schiene innerhalb Deutschlands ist Fried dagegen skeptisch. „Ich glaube, dass sich vieles nicht mehr wirtschaftlich fahren lassen wird“, sagte er. Der Lkw bestimme bei der Schiene den Preis, und es gebe starken Druck auf die Margen. 2010 dürfte die Verdienstspanne noch niedriger als heute liegen. Mehr Verkehr werde es deshalb nur auf langen, vor allem grenzüberschreitenden Strecken geben. „Wenn die Politik nicht stark lenkend eingreift, wird der Marktanteil der Schiene beim Gütertransport schrumpfen – allerdings bei einem insgesamt wachsenden Markt“, sagte Fried.

Auch im Personenverkehr steht die Bahn in einem harten Wettbewerb – im Ausland wie im Inland. In Großbritannien etwa hatte sich die Bahn an zwei Ausschreibungen bei Personenzugstrecken beteiligt, sich dann aber zurückgezogen, weil die Rendite im Verhältnis zum Risiko als zu gering angesehen wurde. Auch in Dänemark war die Bahn nicht zum Zuge gekommen und einem Wettbewerber unterlegen. In Italien habe der Konzern Möglichkeiten geprüft, dann aber kein Angebot abgegeben, sagte Fried.

In Deutschland nimmt vor allem im Nahverkehr die Konkurrenz für den Ex-Monopolisten zu. Hier bestellen und bezahlen die Bundesländer die Züge bei Verkehrsunternehmen wie der Bahn. Im vergangenen Jahr habe die Bahn bei Ausschreibungen von Nahverkehrsverträgen nur noch einen Volumenanteil von 50 Prozent gewonnen, sagte Fried. Zurzeit liegt der Marktanteil zwar noch bei rund 90 Prozent. „Doch wenn sich der Trend fortsetzt, schrumpft der Anteil bis 2020 auf 50 Prozent.“ Wegen der im Vergleich zu vielen Konkurrenten höheren Löhne sei die Bahn bei den Kosten im Nachteil. Deshalb verlangt sie von den Arbeitnehmern Zugeständnisse. „Wenn wir unseren Marktanteil halten wollen, müssen die Gewerkschaften bei den laufenden Tarifverhandlungen noch einen Schnaps drauflegen“, sagte Fried. Die Verschiebung des Börsengangs ändere die Lage nicht. „Bei der Frage des Sparens wird nicht nachgelassen. Es sind erhebliche weitere Rationalisierungsanstrengungen nötig.“

Gelassen sieht Fried das von der EU-Kommission jüngst eingeleitete Verfahren, mit dem Brüssel Berlin zu einer transparenteren Vergabepraxis im Nahverkehr zwingen will. Er sei überzeugt, dass es keinen Verstoß gegen EU-Recht gebe – die deutsche Praxis könne sogar Modellcharakter für Europa haben. Denn ein bisheriger Monopolmarkt werde durch die sukzessive Ausschreibung von Strecken in den Wettbewerb überführt.

Zudem werde auf EU-Ebene der Personenverkehr voraussichtlich 2010 liberalisiert. „Erst dann werden wir in Europa das haben, was wir heute schon in Deutschland haben“, sagte Fried. Er forderte die EU-Kommission auf, neben Deutschland auch Länder wie Frankreich kritisch zu betrachten, wo es bis heute gar keinen Wettbewerb gebe. Selbst bei einer Niederlage Deutschlands erwartet Fried aber keine rückwirkenden Einbußen für die Bahn. „Wir gehen davon aus, dass abgeschlossene Verträge weiter gültig sind.“

Im Fernverkehr erwartet Fried vorerst keine nennenswerte Konkurrenz. Wettbewerber müssten viel investieren, „bei sehr niedrigen, teilweise negativen Margen“. Die geringen Margen treffen auch die Bahn, die erst Ende 2005 hier mit schwarzen Zahlen rechnet. Man müsse „auch hier die Rationalisierung fortsetzen“, sagte Fried.

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