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Wirtschaft: Die Bahn kommt bis 2009 an die Börse

Union und SPD einigen sich auf die Privatisierung des letzten Staatskonzerns – und vertagen den Streit über wichtige Details

Berlin - Der Weg für eine Privatisierung der Deutschen Bahn ist frei. Experten der Koalition einigten sich am Mittwochabend darauf, Teile des Staatskonzerns bis spätestens 2009 an private Investoren zu verkaufen. Infrastruktur und Bahnhöfe sollen im Besitz des Bundes bleiben, der Konzern darf die Schienen aber in seine Bilanz aufnehmen. Der Koalitionsausschuss soll die Regelung an diesem Donnerstag noch genehmigen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte, die Einigung sorge dafür, dass die Bahn in ihrer „äußerst positiven Entwicklung unterstützt“ werde. Bis Ende März 2007 wolle er ein Gesetz über die Privatisierung vorlegen. Es soll wichtige Regelungen zwischen dem Bund und dem letzten großen Staatskonzern enthalten. Der Verhandlungsführer der Union, Hans-Peter Friedrich (CSU), sagte dieser Zeitung, das Eigentum an den Schienen werde auch weiterhin beim Steuerzahler liegen. Nun seien die Weichen für eine „gute Zukunft“ der Bahn gestellt.

Die Koalition hatte lange über das Eigentum an dem 34 000 Kilometer langen Schienennetz gestritten. Die Union wollte es in der Hand des Staates belassen, um weiter die Entwicklung der Infrastruktur steuern zu können. Die SPD und Verkehrsminister Tiefensee hatten indes der Bahn weit gehenden Einfluss auf das Netz zusichern wollen. Juristisch gilt es als schwierig, beide Vorstellungen miteinander zu vereinen. Deshalb hatte der Börsengang der Bahn in den vergangenen Tagen mehrfach auf der Kippe gestanden.

Im Kern ist es bei den unterschiedlichen Vorstellungen von Union und SPD geblieben, wie aus dem verabschiedeten Kompromisspapier hervorgeht. Die Bahn darf demnach das Netz nur für einen gewissen Zeitraum betreiben. Währenddessen erhält sie aber „die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu bilanzieren“, heißt es. Qualitätskriterien sollen verhindern, dass der Konzern die Gleise vergammeln lässt. Die Schulden von bis zu 15 Milliarden Euro, die auf dem Netz liegen, werden nicht auf den Bund übertragen. Die Jobgarantie für die Bahn-Beschäftigten soll zudem bis 2010 weiter gelten. Um den Wettbewerb auf der Schiene zu sichern, bekommt die Bundesnetzagentur mehr Macht. Auf die Größe einer ersten Privatisierungstranche legte sich die Koalition nicht fest. Zuvor war von einem Anteil von 24,9 Prozent die Rede gewesen. Die Frage, ob es einen Börsengang oder einen direkten Einstieg eines Investors geben soll, sei nur ein technischer Vorgang, hieß es in Koalitionskreisen. Festlegungen dazu gab es am Mittwoch nicht.

Bahn-Vorstand Otto Wiesheu sagte, der Erlös aus einem Börsengang werde „sicherlich höher liegen, als sich das viele Leute heute vorstellen“. Dadurch würde die Diskussion über die Verteilung der Einnahmen entschärft. Bislang hat die Bahn gefordert, mit dem Verkaufserlös ihr Eigenkapital stärken zu können.

Die Opposition kritisierte die Einigung. „Mit diesem Formelkompromiss will die Koalition nur Einigkeit vorspielen, wo keine vorhanden ist – das ist Rosstäuscherei“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Winfried Hermann. Horst Friedrich, Verkehrsfachmann der FDP, bezweifelte, „ob das je Gesetz werden kann“. Es müsse zunächst geklärt werden, wem die Bahn-Grundstücke zuzuordnen seien, die der Konzern intern von der Netzsparte auf die Holding übertragen hatte. „Daher bleibt für uns ein Untersuchungsausschuss zu diesem Thema eine Option“, drohte Friedrich.

Auch der linke Flügel der SPD verstärkte den Widerstand gegen die Privatisierung. Aus verkehrspolitischer Sicht und nach dem Stand der Dinge sei ein Börsengang „nicht zielführend, risikoreich und kostenträchtig“, heißt es in einem Papier der Parlamentarischen Linken. Der Börsengang sei abzulehnen. Stattdessen solle „durch innere Reformen, Mobilisierung von Reserven, Konzentration auf Kernaufgaben und durch die Sicherung der öffentlichen Mittel“ sichergestellt werden, dass die Bahn investieren kann und leistungsfähig bleibt.

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