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Wirtschaft: Die begehrten Milliarden der Bundesbank

Gewinne der Staatsbank sind per Gesetz verplant und stehen kurzfristig für die Fluthilfe nicht zur Verfügung

Von Rolf Obertreis

Ein Anruf bei seinem Parteifreund Theo Waigel hätte genügt. Der ehemalige Finanzminister hätte dem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber mit einem Satz klar gemacht, dass er die Hände vom Bundesbank-Gewinn lassen soll, wenn er den Flutopfern helfen will. Der Überschuss der Bundesbank ist zwar jedes Jahr saftig. „Aber zusätzliche Mittel für die Katastrophenhilfe stehen hieraus nicht zur Verfügung“, sagt Bundesbank-Präsident Ernst Welteke. „Offenbar wissen viele nicht, wie der Bundesbankgewinn entsteht und wofür er verwendet wird“, kann sich SPD-Mitglied Welteke einen Seitenhieb auf die Union nicht verkneifen.

Trotzdem: Stoiber bleibt bei seiner Idee, im Falle eines Wahlsieges die Steuerpläne der rot-grünen Bundesregierung wieder zu kassieren und statt dessen den Bundesbankgewinn des letzten Jahres in die Fluthilfe zu stecken.

Dahinter stehen zwei grundverschiedene Konzepte: Kanzler Schröder will mit einer Steuererhöhung die Folgen der Flut bekämpfen, Stoiber durch höhere Verschuldung.

Bevor die Bundesbank alljährlich im April den Gewinn im Detail beziffert, sind die Milliarden schon längst verplant. Vom Finanzminister, der sich jedes Mal über einen Geldsegen aus Frankfurt freuen darf. Er ist fester Bestandteil der Finanzplanungen des Bundes und dies auf gesetzlicher Grundlage. 3,5 Milliarden Euro dürfen alljährlich in den Bundeshaushalt fließen, der Rest dient zum Abbau des Erblastentilgungsfonds. Dahinter verbergen sich die Altschulden der DDR. Ende vergangenen Jahres waren das immer noch rund 181 Milliarden Euro. Seit 1995 hat die Bundesbank fast 25 Milliarden Euro an den Fonds überwiesen, allein in diesem Jahr waren es 7,7 Milliarden Euro.

Würde der Gewinn der Bundesbank nicht in den Haushalt und in den Erblastentilgungsfonds fließen, müsste jeder Finanzminister an anderer Stelle knapsen – Zinsbelastung und Schulden stiegen. An der Aufteilung des Bundesbankgewinns auf Bundeshaushalt und Tilgungsfonds lässt sich nicht rütteln, das Prozedere ist im Bundesbankgesetz fixiert. Also müsste erst einmal das Gesetz geändert werden. Und selbst wenn man es ändern wollte – es ginge nicht über Nacht.

Dass die Begehrlichkeiten im Blick auf die Bundesbank groß sind, ist verständlich. Es ist eines der rentabelsten Unternehmen der Republik. Allein in diesem Jahr lag der Gewinn bei 11,24 Milliarden Euro. Es war der zweithöchste Überschuss überhaupt, 1997 waren es sogar 12,4 Milliarden Euro. Wichtigster Bestandteil des Gewinns sind die Zinseinnahmen: Die Bundesbank leiht den Geschäftsbanken Geld, mit denen diese wiederum Kredite an Unternehmen oder Privatkunden geben können. Je höher die dafür verlangten Leitzinsen sind, desto höher auch der Ertrag der Bundesbank.

Im vergangenen Jahr kam ein dicker Gewinn von 3,4 Milliarden Euro aus Dollarverkäufen hinzu. Die Bundesbank hatte den hohen Dollarkurs genutzt und sich von einem Teil ihrer Reserven getrennt. Letztere sind ein zweiter Grund für Begehrlichkeiten. Auf rund 50 Milliarden Dollar belaufen sich die Währungsreserven der Bundesbank. Zudem wacht sie über rund 3500 Tonnen Gold im Marktwert von rund 40 Milliarden Euro.

Über beide Reserven kann Ernst Welteke nicht kurzfristig verfügen. Währungsreserven braucht die Staatsbank, um bei starken Währungsschwankungen gegensteuern zu können. Dafür können schnell hohe Milliardensummen erforderlich sein. Gold darf die Bundesbank vorerst nicht verkaufen. Sie hat sich im so genannten Washingtoner Abkommen mit den wichtigsten Notenbanken der Welt verpflichtet, bis September 2004 keine einzige Unze des Edelmetalls abzustoßen, um den Goldpreis zu stützen.

Langfristig, sagt Präsident Welteke, könne er sich durchaus vorstellen, Währungsgewinne für einen neuen Katastrophenfonds zu nutzen. Das aber könne nur die Politik entscheiden. Stoibers Plan muss daher nicht sofort in die Schublade – wenn er die Wahl gewinnt.

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