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Wirtschaft: Die Berliner gehen auf die Barrikaden

BERLIN .Die Stimmung der Belegschaft ist auf dem Nullpunkt.

BERLIN .Die Stimmung der Belegschaft ist auf dem Nullpunkt."Wir können nicht begreifen, daß ein kerngesundes Werk geschlossen werden soll", sagt ein Mitarbeiter der Alcatel Kabelwerke vor den Toren des Unternehmens in Neukölln.Mit Pfeifkonzerten, Buhrufen und Transparenten bereiten die Beschäftigen dem Vorstandsvorsitzenden der Alcatel Kabel Beteiligungs AG, Gerhard Gumbel, am Donnerstag den versprochenen "herzlichen" Empfang.Gumbel hatte sich in die Höhle des Löwen gewagt, um auf einer Betriebsversammlung noch einmal zu begründen, warum er eine Schließung des Werks für nötig hält.Danach steht fest: An dem Aus führt kein Weg mehr vorbei.Betroffen sind über 140 Arbeitsplätze, die mit dem Wegfall der Kabelproduktion überflüssig werden.Hohe Überkapazitäten und ein ruinöser Preisverfall zwingen den Konzern zu der Umstrukturierung, sagt Gumbel.Der Konzern müsse nun einmal auf die globaler werdenden Märkte reagieren und die Fertigung konzentrieren.

Alcatel will künftig nur noch an zwei Standorten - Paris und London - Kupferkabel herstellen, sagt Gumbel.Auch die Werke in Hamburg und Stadthagen springen über die Klinge.Wie Berlin.Denn verglichen mit dem Werk an der Spree ist der Betrieb im französischen Fumay lukrativer.Zwar habe Berlin in der Vergangenheit trotz höherer Arbeitskosten von 25 bis 30 Prozent gute Ergebnisse gebracht, so Gumbel.Dennoch dürfe das Geschäfte heute nicht mehr aus nationaler Perspektive sondern nur noch europäisch gesehen werden.

Die Mitarbeiter in Neukölln wollen das nicht hören.An die Vorteile Frankreichs glauben sie nicht.Seit 1991 wurden Millionenbeträge investiert, um das Werk in Berlin zu modernisieren, sagt der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Klose.Die Mannschaft sei hochmotiviert und produziere Spitzenqualität.Von der Spree aus könne man den gesamten europäischen Markt beliefern.Auch die Zahlen sprächen eine deutliche Sprache: Der Umsatz habe sich im Vergleich zum Geschäftsjahr 1998 verdoppelt.Das Werk sei ausgelastet und arbeite produktiv.Warum also soll der Betrieb geschlossen werden?

Niemand könne von den Berlinern erwarten, daß ihre Solidarität überstrapaziert werde, warnt Klose.Die Mitarbeiter wollen um ihre Stellen kämpfen - mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.Zwar sollen rund 30 Arbeitsplätze bleiben, die für Marketing, Versand und Logistik in Berlin noch gebraucht werden, doch auch daran glaubt der Betriebsrat nicht mehr.Die Immobilie in der Sonnenallee, ein Filetgrundstück mit Gleisanschluß, wird Alcatel nach Meinung Kloses für die Restaktivitäten nicht mehr brauchen.

Daß Alcatel Berlin schließen will, ist schon seit Jahren im Gespräch.Obwohl Neukölln neben dem Standort Rheydt der einzige deutsche Betrieb innerhalb der Alcatel-Kabelwerke ist, der schwarze Zahlen schreibt, sagen die Gewerkschafter.Die Geschäftsführung dementiert: Zur Zeit schreiben alle Kabelwerke schwarze Zahlen, berichtet Gumbel.Schlechte Karten für Neukölln.

PETER BOLM

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