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Wirtschaft: Die Bewag bekommt Konkurrenz in Ostdeutschland

In die Neuaufteilung des deutschen Strommarktes kommt wieder Bewegung. Ein Sprecher der Hamburger Elektrizitätswerke HEW bestätigte am Montag dem Tagesspiegel, dass auch HEW ein Interesse an der Übernahme des ostdeutschen Stromversorgers Veag hat.

Von Antje Sirleschtov

In die Neuaufteilung des deutschen Strommarktes kommt wieder Bewegung. Ein Sprecher der Hamburger Elektrizitätswerke HEW bestätigte am Montag dem Tagesspiegel, dass auch HEW ein Interesse an der Übernahme des ostdeutschen Stromversorgers Veag hat. Gemeinsam mit seinem schwedischen Anteilseigner Vattenfall strebe HEW an, "einen strategischen Anteil" an der Veag zu erwerben. An einer Minderheitsbeteiligung bestehe kein Interesse, betonte der Sprecher.

Sollten die Wettbewerbsbehörden in Brüssel und Bonn die Fusionsinteressenten Veba/Viag und RWE/VEW zusätzlich zum Rückzug aus den ostdeutschen Regionalversorgern zwingen, werde man eine Übernahme auch dieser dann frei werdenden Anteile prüfen. Vattenfall/HEW treten damit in unmittelbare Konkurrenz zu der Interessentengruppe Southern Energy/Bewag, die ebenfalls nur an der Übernahme einer Mehrheit der Anteile der Veag interessiert sind. Der HEW-Sprecher schloss darüber hinaus grundsätzlich nicht aus, dass man auch Interesse an der Übernahme von Anteilen am Berliner Energieversorger Bewag habe. Bewag befindet sich zu 23 Prozent im Besitz der Preussen Elektra AG und zu 26 Prozent im Besitz der Bayernwerk AG. Experten gehen davon aus, dass die Kartellämter in Brüssel und Bonn den westdeutschen Bewag-Eignern auch einen Rückzug aus dem Berliner Unternehmen auferlegen werden. Die Unternehmensgruppe Veab/Viag hat unterdessen noch einmal in einem Schreiben den Brüsseler Wettbewerbshütern angeboten, sich im Fusionsverfahren von ihren Anteilen an der Veag und der Bewag zu trennen.

Wie am Montag aus Brüsseler Kreisen verlautete, werden sich die Kartellbehörden sowohl der Europäischen Union als auch Deutschlands zu den Auflagen hinsichtlich der Fusionsvorhaben Veba/Viag und RWE/VEW bereits bis zur kommenden Woche, und nicht wie vorgesehen bis Mitte Juni, festlegen. Es sei davon auszugehen, dass die Fusionen nur in dem Fall genehmigt werden, wenn sich Veba, Viag, RWE und VEW zum Rückzug aus der Veag und den Regionalversorgern verpflichteten.

Offenbar machen die Wettbewerbsbehörden sogar zeitlichen Druck. Wie zu hören ist, werden sie im Fall Veag einen Treuhänder einsetzen, der die Interessen der Gesellschafter wahrnimmt und deren Anteile an der Veag veräußert. Hintergrund ist, dass die Wettbewerbshüter eine Verzögerung des Rückzuges der westdeutschen Stromkonzerne aus der Veag und dem Braunkohleunternehmen Laubag befürchten. Dies würde die rasche Entstehung eines ostdeutschen Wettbewerbers vor allem deshalb behindern, weil die Veag ohne neue Eigentümer auf dem Markt kaum noch agieren kann.

Für den Rückzug aus Ostdeutschland soll den westdeutschen Konzernen im Rahmen der Fusionsverfahren deshalb eine sehr kurze Frist gestellt werden. Im Gespräch seien vier bis sechs Monate, hieß es in Brüssel.

Nachdem in den vergangenen Wochen von verschiedenen Seiten Interesse am Kauf von Veag-Anteilen geäußert wurden, gibt es nun Spekulationen um einen möglichen Kaufpreis. Während aus Kreisen der derzeitigen Eigentümer verlautete, dass man mit zweistelligen Milliardenbeträgen für Veag/ Laubag rechne, gehen die Interessenten von einem "fairen" Kaufpreis in Höhe von rund drei Milliarden Mark aus. Anfang der neunziger Jahre haben die westdeutschen Konzerne für die Veag zwei Milliarden Mark bezahlt, für die Laubag 270 Millionen Mark. Das Tauziehen um den Versorger Veag erhält zudem eine politische Dimension. Aus Kreisen der Veag-Belegschaft ist zu hören, dass man gemeinsam mit der Laubag Protestdemonstrationen für eine rasche Lösung der Eigentümerfragen vorbereitet. Die Stimmung in den Braunkohleförderstätten und -kraftwerken sei "extrem angeheizt", hieß es. Eine Ursache dafür ist die wirtschaftliche Notsituation der Veag. "Die Westdeutschen lassen uns kaltschnäuzig ausbluten", sagte ein Betriebsratsmitglied am Montag. Wegen der umfangreichen Investitionen in Infrastruktur und Kraftwerke hat die Veag in den kommenden Jahren einen großen Liquiditätsbedarf. Experten gehen davon aus, dass das Unternehmen rund vier Milliarden Mark benötigt. Auch für das vergangene Jahr, dessen Bilanz in der kommenden Woche vorgelegt wird, muss mit einem Milliardenverlust gerechnet werden. Zudem erwarten Experten, dass der Veag bereits an diesem Donnerstag neues Ungemach droht. Das Langericht Berlin wird aller Voraussicht nach über die Unrechtmäßigkeit der Braunkohleschutzklausel entscheiden.

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