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Wirtschaft: „Die Börse irrt steuerlos umher“

Finanzkreise sorgen sich um die Zukunft der Deutschen Börse AG/Hauptversammlung am Mittwoch

Berlin In Frankfurter Finanzkreisen wächst die Sorge um die Zukunft der Deutschen Börse AG. Nachdem die Finanzaufsicht Hinweise hat, dass sich die Finanzinvestoren gesetzeswidrig im Machtkampf um die Führung der Börse durchgesetzt haben, fragen sich Experten, welche strategischen Ziele die Hedge-Fonds um TCI verfolgen. Spekuliert wird weiter über eine Zerschlagung des Unternehmens, die mit einem Rückzug der Fonds verbunden wäre. Erste Hinweise, dass bereits größere Aktienpakete verkauft wurden, gibt der Kursverlauf der Börsen-Aktie: Sie hat in den vergangenen zehn Tagen gut acht Prozent verloren und notierte am Freitag bei 58,25 Euro.

Am kommenden Mittwoch lädt die Börse zur Hauptversammlung nach Frankfurt. Auch TCI-Chef Christopher Hohn hat sein Erscheinen angekündigt. Die Deutsche Börse wollte sich dazu am Freitag nicht äußern. „Das ist für uns alle spannend“, hieß es lediglich. Hohn, von dem es keine Fotos gibt, tritt erstmals öffentlich auf. Nach dem Übernahmeangebot der Deutschen Börse an die Londoner Konkurrentin LSE hatte sich der TCI-Chef einen Schlagabtausch mit Börsenchef Werner Seifert und Aufsichtsratschef Rolf Breuer geliefert. TCI und weitere Großaktionäre hielten das Angebot für überteuert und erzwangen schließlich den Rückzug des Angebots und den Rücktritt der Führungsspitze.

„Die Deutsche Börse braucht jetzt schnellstmöglich eine kompetente Führung, die eine geschäftspolitische Strategie und den Rückhalt der Großaktionäre hat“, sagte Rolf Drees, Sprecher von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, dem Tagesspiegel. Seit dem Rückzug von Börsenchef Seifert vor zehn Tagen ist völlig offen, wer an der Spitze des Unternehmens stehen soll. „Die Börse irrt steuerlos umher“, hieß es in Frankfurt. „Der Finanzplatz nimmt Schaden.“

„Es ist nicht zu erkennen, wer überhaupt einen Nachfolger für Seifert sucht, der Aufsichtsrat oder die Hedge-Fonds“, sagte Dieter Hein, Bankenexperte beim unabhängigen Analysehaus Fairesearch. „Das Unternehmen ist ohne Führung und der weitere Kurs unsicher.“ Dies dürfe man allerdings nicht den Hedge-Fonds anlasten. Ihnen sei der Einstieg bei der Deutschen Börse AG schließlich erleichtert worden, weil sich die deutschen Großaktionäre zurückgezogen hätten. Union Investment, früher einer der größeren Aktionäre, hat seinen Anteil inzwischen auf unter ein Prozent reduziert. Der Anteil der deutschen Investoren beträgt insgesamt nur noch sieben Prozent.

Wolfgang Gerke, Mitglied des Börsenrats und Professor für Bank- und Börsenwesen in Erlangen, glaubt, dass sich einige Investoren das – von den Fonds erzwungene – Aktienrückkaufprogramm der Börse selbst zu Nutze gemacht haben, um ihre Anteile wieder zu verkaufen. „So kommen sie gut wieder aus der Börse heraus“, sagte Gerke dem Tagesspiegel. TCI habe deshalb wohl auch „Mitstreiter verloren“. Eine Zerschlagung der Deutschen Börse hält Gerke für unwahrscheinlich. Plausibler findet er ein anderes Szenario: TCI wolle Aktien der Eurex, der gemeinsam von Deutscher und Schweizer Börse betriebenen Terminbörse, verkaufen. Ein Börsengang dieses sehr erfolgreichen Unternehmens wäre für den Hedge-Fonds ein weiteres lukratives Geschäft.

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