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Wirtschaft: Die Buchpreisbindung ist noch nicht gefallen

BRÜSSEL .Deutschlands Buchhändler, Verleger und Schriftsteller können erst einmal aufatmen: Die Buchpreisbindung, deren Ableben von einem Sprecher des EU-Wettbewerbskommissars vergangene Woche voreilig für Beginn des kommenden Jahres angekündigt worden war, ist noch nicht am Ende.

BRÜSSEL .Deutschlands Buchhändler, Verleger und Schriftsteller können erst einmal aufatmen: Die Buchpreisbindung, deren Ableben von einem Sprecher des EU-Wettbewerbskommissars vergangene Woche voreilig für Beginn des kommenden Jahres angekündigt worden war, ist noch nicht am Ende.Die Europäische Kommission zumindest, die über ein Verbot der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung zu entscheiden hat, ist sich über ihren Kurs in der Grauzone zwischen Kultur und Kommerz noch keineswegs einig.

EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert steht unter Handlungszwang.Die größte österreichische Buchhandelsgruppe Libro hat sich in Brüssel beschwert, die in Österreich wie in Deutschland praktizierte Buchpreisbindung verstoße gegen den Artikel 85 des EG-Vertrags, der "wettbewerbshindernde Vereinbarungen und Beschlüsse" verbietet.Die Wettbewerbshüter, für die das Buch eine Ware wie jede andere ist, halten die Beschwerde offenbar für berechtigt.Sie wollen deshalb die grenzüberschreitende Buchpreisbindung zwischen Österreich und Deutschland verbieten.Die nationale Buchpreisbindungen in Deutschland und Österreich können sie allerdings nicht untersagen.Sie bleibt Sache der Regierungen in Bonn und Wien.In Brüssel weiß man jedoch, daß ein Verbot der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung den Reimporten Tor und Tür öffnet und dann das ganze System der festen Landenpreise zu Fall bringen könnte.

Doch über die Brüsseler Wettbewerbspolitik entscheidet nicht allein Wettbewerbskommissar Karel Van Miert, sondern das gesamte Gremium der EU-Kommissare.Ob hier aber eine Mehrheit für das Verbot der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung zustandekommt, ist derzeit völlig offen.Der Antrittsbesuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder vergangene Woche brachte es zutage: Die EU-Kommission ist in der heiklen Frage gespalten.Der Präsident der EU-Kommission, Jacques Santer, hat offenbar Sympathien für die Verteidiger der festen Landenpreise, die im Buch mehr als ein Wirtschaftsgut sehen."Bücher sind anders", lautet ihre Devise.EU-Kommissionspräsident Santer stimmte ihnen zu: "Das Buch ist auch ein Kulturgut", erklärte er in der vergangenen Woche und stärkte mit dieser Binsenweisheit den Anhängern der Buchpreisbindung den Rücken.

Auch die EU-Kulturminister haben in den vergangenen Jahren die EU-Kommission mehrfach aufgefordert, die festen Landenpreise bei Büchern zu tolerieren, da nur dadurch ein flächendeckendes Verteilungssystem mit zahlreichen kleinen Buchhandlungen und auch die Vielfalt der Literatur erhalten werden könne.Der Präsident der EU-Kommission hat jetzt versprochen, daß es in Brüssel zu keiner Entscheidung kommen werde, bevor nicht die Kulturminister erneut Stellung nehmen.Ihre Schlußfolgerungen müßten bei der endgültigen Entscheidung der EU-Kommission berücksichtigt werden, sagte Santer.Denn im Artikel 128 des Maastrichter Vertrags wird ausdrücklich die kulturelle Dimension der Gemeinschaft betont.

Dieser Meinung ist auch das Europäische Parlament.Mit einer Entschließung zur Buchpreisbindung hat es jetzt in die gleiche Kerbe gehauen wie die Kulturminister und die Buchhändler.Die EU-Kommission müsse den Doppelcharakter des Buches als Wirtschafts- und Kulturgut anerkennen.

In der mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution fordert das Europaparlament deshalb die EU-Kommission auf, "eine verbindliche Regelung zu schaffen", die neben den nationalen Buchpreisbindungen auch die grenzüberschreitende Buchpreisbindung in einheitlichen Sprachräumen erlaubt.

Sollten die EU-Kommissare der Forderung der EU-Volksvertreter im kommenden Jahr doch nicht nachkommen, müßten die Verfechter der Buchpreisbindung dennoch nicht aufgeben.Eine Klage gegen die Brüsseler Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, die der Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Michael Naumann, schon vorsorglich angekündigt hat, würde ein Verbot der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung sicher für mehrere Jahre aufschieben und Luft für neue Verhandlungen schaffen.

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