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Wirtschaft: Die Chinesen kommen – und bleiben

Immer mehr europäische Firmen werden von chinesischen Investoren gekauft – und unter der neuen Führung hier weiterbetrieben

Die Festzelte sind abgebaut, die Böller abgebrannt, das neue Jahr ist da. Seit ein paar Tagen gehen die 40 Beschäftigten der Welz-Gaszylinder-Werke im brandenburgischen Rathenow wieder zur Arbeit wie immer. Sie haben ein bisschen später Neujahr gefeiert als andere Rathenower, denn das chinesische Neujahr hat erst am 9. Februar angefangen. Dafür wurde um so üppiger gefeiert: Der chinesische Staatszirkus kam in die Kleinstadt im Westen des Strukturkrisenlandes Brandenburg, der Bürgermeister erschien zur Party, und das neue Jahr der Firma Welz heißt nicht Februar 2005, sondern Jahr des Huhns.

Seit zwei Jahren hat Welz einen neuen Eigentümer. Die Huapeng Trading Company. Der neue Chef heißt Jiang Zhou und kommt aus China.

Damit steht Welz nicht alleine da: Auch beim Maschinenbauer Schiess in Aschersleben, beim Nähmaschinenhersteller Dürkopp-Adler in Bielefeld oder bei Schneider Electronics im süddeutschen Türkheim sind jetzt Chinesen die Chefs. Für die Beschäftigten ist es erst einmal ein Schock, wenn die eigene Firma verkauft wird. Erst recht, wenn der neue Eigentümer ein chinesischer Investor ist.

Wenn sich die Aufregung gelegt hat, schließen jedoch immer mehr Beschäftigte in Deutschland, Europa und der Welt Frieden mit den neuen Herren. Die nämlich interessieren sich längst nicht mehr nur für gebrauchte Maschinen, die sie abbauen und in China wieder aufbauen können. Viele suchen etablierte Marken und Vertriebsstrukturen, an die sie anknüpfen können.

Zwei Milliarden Euro pro Jahr werden die Chinesen in den kommenden Jahren in Deutschland investieren, schätzt die Unternehmensberatung Bain, bis zu 70 Milliarden Euro weltweit. „Die Qualität der Anfragen hat sich in den letzten Monaten sehr deutlich geändert“, sagt Bains China-Experte Uwe Reinert. Seitdem die chinesische Regierung vor wenigen Monaten die Parole ausgegeben hat, dass China jetzt bereit und auch in der Lage sei, weltweite Konzerne zu bilden, kommen immer größere Firmen mit immer mehr Geld einkaufen.

„Das war ein Startsignal“, urteilen China-Experten. „Die Anfragen werden professioneller, die Investitionssummen größer“, sagt Aresa Brand, die bei der Wirtschaftsförderung Hamburg chinesische Investoren betreut.

Der Kauf der PC-Sparte von IBM für 1,75 Milliarden Dollar im vergangenen Dezember oder das Joint Venture des britischen Autobauers Rover beweisen, dass heute in der Regel viel mehr mit einem chinesischen Investment verbunden ist als der Erwerb von ein paar alten Fabrikanlagen. Und auch das – von Siemens zwar bestrittene – Interesse chinesischer Investoren an der Handy-Sparte von Siemens ist ein Zeichen dafür, dass die Chinesen sich in die bisherigen Kernmärkte von europäischen und amerikanischen Weltkonzernen bewegen. Der chinesische Computerhersteller Lenovo wurde durch den IBM-Deal zum drittgrößten PC-Hersteller der Welt. Und das Unternehmen Shanghai Automotive, an dem ohnehin schon kaum ein Autohersteller vorbei kommt, der in China produzieren will, könnte in Großbritannien Tausende von Jobs retten – wenn der Einstieg bei Rover tatsächlich besiegelt wird. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es richtig losgeht. Und dann ist es ein Wirbelsturm,“ urteilt Reinert. „Bisher gingen wir davon aus, dass die Chinesen Brückenköpfe etablieren wollen, um den Vertrieb ihrer Produkte organisieren sowie Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in ihr Heimatunternehmen transferieren zu können. Jetzt sehen wir, dass sie mehr wollen – nämlich auch im Ausland produzieren“.

Beim Nähmaschinenhersteller Dürkopp-Adler in Bielefeld ist man sich da jedoch nicht so sicher. Im vergangenen Oktober wurde das Unternehmen an die chinesische Shang-Gong-Gruppe verkauft. „Wir wissen immer noch nicht, was kommt. Wir wissen nur: Unser Markt ist China, da führt kein Weg dran vorbei“, sagt Gerd Engelbrecht, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des 600-Mann-Unternehmens. Seitdem die bisherige Eigentümerin FAG Kugelfischer sich entschlossen habe, Dürkopp Adler abzustoßen, „wissen wir, dass es keine Alternative gibt“, sagt Engelbrecht.

„Am Anfang denkt man nur darüber nach, was noch abmontiert werden kann“, sagt ein Mitarbeiter des Unternehmens. Jeder der 600 Beschäftigten habe sich sofort an die ehemalige Kokerei Kaiserstuhl im nahe gelegenen Dortmund erinnert, die in den vergangenen beiden Jahren Stück für Stück abgetragen wurde und jetzt gerade in China wieder aufgebaut wird. Oder an die Hanauer Atomfabrik, die die Chinesen dem Siemens-Konzern auch gern abgekauft hätten. Oder an ausgediente Mopedwerke und alte Opel-Anlagen, die heute in China für Arbeitsplätze sorgen. Doch dann habe man sich darauf besonnen, dass die Belegschaft längst Erfahrung mit Betriebsverlagerungen hat: Ein Teil der früheren Bielefelder Produktion wird heute in Tschechien erledigt, ein anderer in Rumänien. Doch immer sind die Entwicklungs- und Produktionsarbeiten für die komplizierteren Maschinen in Bielefeld geblieben.

Umstellen werden sich die Bielefelder aber in jedem Fall müssen. Die chinesische Managementphilosophie ist, dass jeder jederzeit ein Teil der Firma ist – und sich auch so verhalten muss, erklärt der neue Chef der Gaszylinderfirma Welz. „Das war für die deutschen Mitarbeiter am Anfang schwierig“, sagt Jiang.

Der Kulturunterschied im 40-Mann-Betrieb wurde in Gesprächen mit dem Betriebsrat überbrückt. Die 38-Stunden-Woche ging dabei verloren. Und das Gefühl, nach getaner Arbeit nach Hause gehen zu können und Privatmensch zu sein auch. „Wir haben mit den Beschäftigten darüber gesprochen, dass sie nicht nur für acht Stunden am Tag Teil der Firma sind“, erklärt Manager Jiang Zhou. Heute werde bei Welz mehr als die 42 Stunden Regelarbeitszeit in der Woche gearbeitet und das funktioniere sehr gut. Dennoch, die Kosten müssten noch weiter gedrückt werden, um die Produktion in Deutschland aufrecht zu erhalten.

Deutschland hat den Huapeng-Manager nicht entmutigt, im Gegenteil: Jiang ist auf der Suche nach neuen Firmen.

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