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Wirtschaft: Die Deflationsgefahr nimmt zu

Preise sinken im Vergleich zum September um 0,1 Prozent – Ökonomen warnen vor gefährlicher Entwicklung

Berlin (brö). Die Kosten für die Lebenshaltung in Deutschland sind im Oktober im Vergleich zum Vormonat leicht gesunken. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, gingen die Verbraucherpreise leicht um 0,1 Prozent zurück. Damit mehren sich die Anzeichen für eine Deflation und einen länger anhaltenden Wirtschaftsabschwung. „Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, sieht es nicht gut aus“, sagte Stefan Bielmeier, Volkswirt bei der Deutschen Bank, dem Tagesspiegel.

Im Jahresvergleich lag die Teuerungsrate allerdings noch bei 1,2 Prozent im Vergleich zu 1,0 Prozent im September. Die Zahlen basieren auf vorläufigen Berechnungen, die das Statistikamt für sechs Bundesländer erstellte. So sanken die Preise in Sachsen sogar um 0,2 Prozent. Dort wurden vor allem Pauschalreisen (minus 5,6 Prozent) sowie Freizeit, Kultur und Unterhaltung (minus 0,8 Prozent) billiger. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke waren für 0,6 Prozent weniger zu haben.

Sollte dieser Trend anhalten, droht Deutschland ein längerer wirtschaftlicher Niedergang. Denn zurückgehende Preise, die auf den ersten Blick für Konsumenten positiv sind, können das Wirtschaftswachstum schwächen und die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen. Denn mit sinkenden Preisen kommt eine gefährliche Spirale in Gang: Trotz zahlloser Sonderangebote und Rabattaktionen halten sich die Konsumenten zurück und schränken ihre Einkäufe ein – sie sind wegen der schlechten Arbeitsmarkt und Wirtschaftslage vorsichtig. Der Handel beklagt den Käuferstreik bereits seit Monaten und befürchtet das schlechteste Jahr seit dem Krieg. Die Absatzschwäche führt jedoch zu immer größeren Überkapazitäten bei den Unternehmen – sie legen ihre Investitionspläne zu den Akten und bauen Personal ab. Weil viele die Kosten trotzdem nicht in den Griff bekommen, schlittern sie in die Pleite. Das wiederum bringt aber die Banken in die Bredouille: Sie bleiben auf ihren Krediten sitzen und werden beim Geldverleihen immer vorsichtiger. Wenn die Wirtschaft jedoch kein frisches Kapital bekommt, kann sie erst recht nicht investieren oder forschen – und schrumpft deshalb.

Bis es zu einer echten Deflationsentwicklung kommt, ist es jedoch ein „schleichender Prozess – das passiert nicht von heute auf morgen“, warnt Gustav Adolf Horn, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Erst wenn das Preisniveau mehrere Monate in Folge oder sogar über ein Jahr rückläufig ist, sprechen die Volkswirte von einer Deflation. Allerdings trügen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: „Die Inflationsrate wird aufgrund von Messfehlern um rund einen halben Prozentpunkt überschätzt“, sagt Deutsche Bank-Fachmann Bielmeier. Damit würde sich Deutschland schon länger nahe an der Deflation bewegen. Das bleibt auch vorerst so. Bis Jahresende dürfte die Inflation sehr niedrig bleiben“, sagte Uwe Angenendt von der ING BHF-Bank in Frankfurt (Main).

Wie schlimm der anhaltende Preisverfall für ein Land sein kann, zeigt das Beispiel Japan. Dort hat sich die Krisenstimmung seit mehreren Jahren verfestigt. Selbst Zinssenkungen der Notenbank bringen keine Belebung, und auch die gigantischen Ausgabenprogramme der Regierung verfangen nicht.

Entspannung erhoffen sich die Ökonomen von der besseren Wirtschaftsentwicklung in 2003. Dem Herbstgutachten der Institute zufolge soll das deutsche Bruttoinlandsprodukt dann um 1,4 Prozent zunehmen nach 0,4 Prozent in diesem Jahr. Das bedeutet automatisch wieder steigende Preise. Doch ob es so kommt, ist nicht sicher – in den vergangenen Jahren haben die Forscher wiederholt daneben gelegen. Hilfe könnte auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen: Senkt sie die Leitzinsen, würden Kredite für Konsum und Investitionen wieder billiger, und die Nachfrage zöge an. Sperrt sich die EZB indes weiter, bleibt einzig die Hoffnung auf einen steigenden Ölpreis. „Er wird bis Jahresende noch einmal zulegen“, hofft Deutsche Bank-Mann Bielmeier. Dann würde auch die Inflationsrate wieder steigen.

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www.destatis.de

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