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Wirtschaft: Die deutsch-französischen Querelen reißen nicht ab

Aufregung um den neuen Chef der künftigen Europäischen Zentralbank VON ERIC BONSE, PARISWer in diesen Tagen französische Regierungspolitiker auf die künftige Europäische Zentralbank (EZB) anspricht, erntet Achselzucken und Unverständnis."An unserer Position hat sich seit dem Gipfel von Dublin nichts verändert", versichert ein Chirac-Berater.

Aufregung um den neuen Chef der künftigen Europäischen Zentralbank VON ERIC BONSE, PARIS

Wer in diesen Tagen französische Regierungspolitiker auf die künftige Europäische Zentralbank (EZB) anspricht, erntet Achselzucken und Unverständnis."An unserer Position hat sich seit dem Gipfel von Dublin nichts verändert", versichert ein Chirac-Berater.Über den Präsidenten der EZB werde erst 1998 entschieden.Die aktuelle Diskussion entbehre jeder Grundlage.Von einer deutsch-französischen "Geheimabsprache" jedenfalls, der zufolge die EZB-Präsidentschaft einem Franzosen zufallen soll, will in Paris niemand etwas wissen. Einer gewissen Logik würde es allerdings nicht entbehren, daß Frankreich den EZB-Präsidenten stellt.Denn schließlich hat Bonn durchgesetzt, daß die künftige Euro-Zentrale nach Frankfurt kommt.Als "Gegenleistung" behielt sich Frankreich offenbar bereits 1993 die Entscheidung in der heiklen Personalfrage vor.Umso größer war die Verstimmung in Paris, als die europäischen Notenbankpräsidenten im Mai 1996 den Chef der niederländischen Zentralbank, Wim Duisenberg, zum Favoriten machten.Der soll ab Juni das Europäische Währungsinstitut leiten, das als "Keimzelle" der künftigen Zentralbank gilt.Von dieser Entscheidung habe er erst aus der Presse erfahren, erklärte der französische Finanzminister sichtlich indigniert.Wenn es denn also eine deutsch-französische "Geheimabsprache" gegeben hat, dann läuft ihr die Wahl Duisenbergs eindeutig zuwider. Indes sind es ausgerechnet die Deutschen, die Duisenberg pushen und den Eindruck erwecken, ein französischer Zentralbankpräsidenten stelle eine Gefahr für den Euro dar.Paris habe die Unabhängigkeit der Zentralbank immer noch nicht verinnerlicht, heißt die neueste deutsche These.Bedenklich sei vor allem die französische Forderung, der EZB ein politisches Gegengewicht entgegenzustellen, erklärte Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer.Damit ihn auch jenseits des Rheins jeder versteht, wählte Tietmeyer in einer Rede sogar französische Begriffe: Er warnte vor einem "pouvoir politique", das die Unabhängigkeit des "pouvoir monétaire" gefährden könne.Aber auch in Paris will niemand die künftige Zentralbank ans politische Gängelband nehmen.Im Gegensatz zu Deutschland wird in Frankreich lediglich betont, daß die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen soll - wie es auch im Bundesbank-Gesetz steht.Wirtschafts- und Finanzminister Jean Arthuis hat deshalb die Bildung eines Stabilitätsrats vorgeschlagen.Er soll die "strikte Einhaltung" des - von Bonn initiierten - Stabilitätspakts überwachen und über die Wechselkurspolitik des Euro gegenüber anderen Währungen beraten.All dies aber nur auf informeller Basis - von einer geldpolitischen "Gegenregierung" kann also keine Rede sein.Warum also die ganze Aufregung? In Paris ist man sicher, den Grund zu kennen: Gewisse deutsche Kreise wollten um jeden Preis verhindern, daß Frankreich den EZB-Präsidenten stellt, heißt es.All dies könne dem Vertrauen in den Euro nur schaden.Dies sei umso bedauerlicher, als in Deutschland - verglichen mit Frankreich - eh schon ein Vertrauensdefizit herrsche: Nach jüngsten Umfragen sind 61 Prozent der Franzosen für die Eurowährung - aber nur 43 Prozent der Deutschen.

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