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Wirtschaft: Die deutsche Wirtschaft schrumpft

Exportschwäche lässt Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,1 Prozent sinken/Regierung: Keine Rezession

Berlin (anw). Allen Meldungen über einen nahenden Aufschwung zum Trotz ist die deutsche Wirtschaft erneut leicht geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im zweiten Quartal gegenüber dem ersten um 0,1 Prozent. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Gegenüber dem Vorjahresquartal verringerte sich das BIP sogar um 0,6 Prozent. Damit fiel das Wachstum zum zweiten Mal in Folge negativ aus – Deutschland befand sich damit laut international gängiger Definition im ersten Halbjahr in einer Rezession. Im ersten Vierteljahr sank das BIP zum Vorquartal um 0,2 Prozent.

Der Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal ist laut Statistischem Bundesamt auf einen Rückgang der Exporte zurückzuführen. Da die Importe zur gleichen Zeit weniger stark abnahmen, führte dies zu einem geringeren Exportüberschuss. Auch die leichte Erhöhung der inländischen Nachfrage konnte dies nicht ausgleichen.

In der Bewertung der BIPZahlen sind sich Wirtschaftsexperten und Politiker allerdings uneins. Während sich Deutschland laut Rheinisch-Westfälischem Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) „technisch gesehen“ in der Rezession befinde, will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nicht davon sprechen. Rezession sei „ein Begriff, der auf ganz andere Zustände zutrifft“. Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) spricht nur von einer Stagnation. Der BIP-Rückgang um 0,1 Prozent sei gering, außerdem handele es sich um vorläufige Zahlen. Diese Auffassung vertritt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Clement zufolge resultiert die Konjunkturschwäche vor allem aus der schwachen Weltwirtschaft und dem starken Euro, der den Export erschwere.

Wirtschaftsexperten werfen der Regierung hingegen vor, nicht rechtzeitig auf die Konjunkturschwäche reagiert zu haben. „Die Situation im ersten Halbjahr hätte man voraussehen können. Aber die Politik hat wohl auf die Weltwirtschaft gehofft und deshalb nicht reagiert“, sagte Ulrich Beckmann von der Deutschen Bank Research dem Tagesspiegel. Er zeigte sich wenig optimistisch, dass sich daran etwas ändern werde. Vor der Steuerreform Anfang 2004 werde die Regierung in der Konjunkturpolitik „realistisch betrachtet“ nichts mehr unternehmen.

Ullrich Heilemann vom RWI äußerte gegenüber dieser Zeitung die Auffassung, die Regierung habe die Wirtschaftsschwäche „billigend in Kauf genommen“. Zwar sei es generell schwierig, von staatlicher Seite aus schnell genug auf die Konjunktur zu reagieren. Die Amerikaner hätten allerdings vorgemacht, dass dies mit einer vorausschauenden Planung durchaus funktioniere. So habe die Regierung Bush 2001 in Erwartung der schwachen Folgejahre die Steuern gesenkt, indem sie Einkommensschecks verteilt habe, um damit den Konsum anzukurbeln.

Für die kommenden Monate gehen die meisten Experten von einer weiteren Stagnation in Deutschland aus. „Der große Aufschwung wird dieses Jahr garantiert nicht mehr kommen“, sagte Gebhard Flaig vom Ifo-Institut.

Gerd Haßel von der ING BHF Bank ist ebenfalls pessimistisch: „Das dritte Quartal wird wohl weiter um die Stagnation herum liegen.“ Das RWI prognostiziert für das Gesamtjahr 2003 sogar den ersten Rückgang der Jahreswirtschaftsleistung seit 1993. Wirtschaftsminister Clement hingegen schloss eine Änderung der Prognose von plus 0,75 Prozent für das Jahr 2003 zunächst aus. Finanzminister Hans Eichel (SPD) räumte wegen der geringen Wirtschaftsleistung und der damit verbundenen Steuerausfälle allerdings „ein gewisses Risiko“ für den laufenden Bundeshaushalt ein.

Auch europaweit steckt die Wirtschaft derzeit in einer Stagnation. Wie das Europäische Statistikamt Eurostat am Donnerstag bekannt gab, blieb das BIP der Euro-Zone im zweiten Quartal im Vergleich zum ersten unverändert. Neben Deutschland hatten auch Italien und Holland das europäische BIP nach unten gezogen. Für Frankreich, das seine Zahlen erst noch vorlegt, wird dies ebenfalls erwartet.

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