zum Hauptinhalt

Wirtschaft: DIE EU UND DIE ALTAUTOS: Das Doppelspiel hat seinen Preis

Mal die Pose des wackeren Jung-Siegfrieds, der standhaft das Sparpaket gegen wütende Bauern verteidigt. Mal der Lobbyist, der rücksichtslos für die Interessen der deutschen Autoindustrie fightet.

Mal die Pose des wackeren Jung-Siegfrieds, der standhaft das Sparpaket gegen wütende Bauern verteidigt. Mal der Lobbyist, der rücksichtslos für die Interessen der deutschen Autoindustrie fightet. Der jetzt gefundene Kompromiß zur Alt-Autoverordnung paßt gut zum Doppelspiel. Die Koalition lobt sich dafür, einen wichtigen Teil-Erfolg errungen zu haben - obwohl sie gegen den Brüsseler Vorschlag gestimmt hat. So widmet man Niederlagen in Erfolge um. Sicherlich, der Beschluß der Ständigen EU-Vertreter ist vorläufig. Noch müssen die Regierungen endgültig zustimmen, aber Schröder wird Briten und Spanier kaum erneut für sein Anliegen einspannen können.Aber wer hat überhaupt eine Niederlage erlitten? Die Umwelt sicher nicht. Die jetzt gefundene Regelung hilft ihr mehr als die deutsche Alt-Auto-Verordnung aus dem vergangenen Jahr, die auf einer freiwilligen Vereinbarung mit den Herren Schrempp, Piëch und Co. fußt. Seitdem werden immer mehr Karossen stillgelegt, aber immer weniger landen bei den Auto-Verwertern. Die Bürger verweigern ihre Entsorgungsgebühr, und so erwachen viele Rostlauben zu neuem Leben - in Polen oder im Baltikum. Die Brüsseler Richtlinie könnte das ändern, wenn auch erst 2006. Dann sollen die Hersteller verpflichtet werden, alle Alt-Fahrzeuge kostenlos zurückzunehmen - nicht nur Modelle von April 1998 an, die höchstens zwölf Jahre alt sind. Brüssel verwirklicht damit den Gedanken des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes: Die Hersteller werden stärker in die Pflicht genommen, die Ingenieure in Wolfsburg und Stuttgart müssen bereits beim Bau eines Autos an die Entsorgung denken und umweltfreundlichere Modelle austüfteln.Allerdings: Viele der anderen EU-Staaten konnten leicht für die Umwelt werben. Dänemark, Österreich oder die Niederlande besitzen keine eigene Autoindustrie, sondern bieten nur Unterschlupf für ausländische Hersteller. Auch der Meinungswechsel von Briten und Spaniern ist so zu erklären. Knapp die Hälfte aller 160 Millionen Fahrzeuge in Europa sind dagegen Produkte deutscher Konzerne. VW und Co. haben also am meisten zu verlieren. Nur: Allzu ernst sollte man die Horrormeldungen der Branche nicht nehmen. Angesichts des scharfen Wettbewerbs wollen die Firmenchefs sicher keine zusätzlichen Milliarden-Kosten schultern. Doch die veranschlagten 15 bis 20 Milliarden Mark werden keineswegs sofort fällig, sondern verteilen sich über Jahre. Die Konzerne legen Geld zurück und bilden Rückstellungen. Der hübsche Nebeneffekt: Sie können ihren Gewinn drücken und brauchen weniger ans Finanzamt zu zahlen. Hans Eichels Steuersäckel wird schmaler.Nein, umwelt- und wirtschaftspolitisch ist der Brüsseler Kompromiß tragfähig. Schmerzlich ist er für den Bundeskanzler und seinen Umweltminister. Schröder hat sich rücksichtslos für die Interessen der Autoindustrie eingesetzt und nicht viel gewonnen. Stattdessen hat sein Lobby-Wirken nur die deutsche EU-Präsidentschaft verdunkelt. Nicht sein Erfolg zur Agenda 2000 bleibt im Gedächtnis, sondern sein düsteres Wirken als Auto-Lobbyist. Als Verlierer steht auch Umweltminister Jürgen Trittin da. Ihm half es nichts, daß er sich auf Schröders Drängen hin gegen die Alt-Auto-Verordnung gestemmt hat. Erst mußte er sich deshalb Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei anhören, jetzt hat er in der Sache verloren. Doppelspiel hat halt seinen Preis.

ANDREAS HOFFMANN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false