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Wirtschaft: Die Expo-Panne: 69 DM zahlen und nichts sehen

BERLIN .Nur jeder vierte Besucher der Weltausstellung "Expo 2000" in Hannover wird die Gelegenheit haben, den "Themenpark" zu entdecken.

BERLIN .Nur jeder vierte Besucher der Weltausstellung "Expo 2000" in Hannover wird die Gelegenheit haben, den "Themenpark" zu entdecken.Die Hauptattraktion der Weltausstellung ist nämlich viel zu klein: Das geht aus internen Planungen der Expo 2000 Hannover GmbH hervor.Wie der "Tagesspiegel" erfuhr, versucht die Expo-Gesellschaft nun fieberhaft, ein umfangreiches Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen, das verärgerte Besucher befrieden soll.Denn im Kernstück der Ausstellung ist nach geheimen Kalkulationen nur für zehn der insgesamt geplanten 40 Millionen Besucher Platz.

"Die Zukunft ist geheim.Bis auf diese 100 000 Quadratmeter." So machen die Organisatoren der Weltausstellung Appetit auf den Themenpark, "eine Erlebnislandschaft für alle Sinne".Bundeswirtschaftsminister Werner Müller bezeichnet ihn als "Hauptattraktion der Expo 2000".Aber 30 Millionen Besucher der Expo werden enttäuscht sein, weil sie ihn nicht sehen werden: Das Kernstück der Weltausstellung ist zu klein geraten.Selbst die zehn Millionen Neugierige, die Einlaß erhalten, werden nicht den ganzen Park sehen.

Noch exklusiver wird das Projekt "Zukunft Gesundheit" ausfallen, das bei der Expo als heimlicher Hit des Besucherprogramms gilt.Der japanische Architekt Toyo Ito läßt die Expo-Fans auf bequemen Liegestühlen an einem tiefblauen See in frischer Luft Platz nehmen und verwöhnt sie mit gesunden Snacks."Aber wie viele Menschen dieser Erde haben dieses Rundumgefühl?" heißt es schon im Expo-Prospekt besorgt.Die realitätsnahe Antwort wird die Ausstellung geben: die VIPs.Denn vornehmlich die Ehrengäste sollen "am eigenen Leib erfahren, wie Körper, Seele, Geist und soziale Beziehung zusammenhängen".

Auch die "Zukunft der Arbeit", weiteres Zentralelement im Themenpark, wird sich nur einem Bruchteil der Besucher offenbaren: Ein Theaterstück von 45 Minuten Länge, das der französische Stararchitekt Jean Nouvel opulent inszeniert, hat gerade einmal für 400 Gäste Platz.Selbst wenn die Schauspieler ihr Bestes geben und ohne Unterbrechung und Pause Zukunftsformen der Arbeit erproben, wird kaum mehr als eine Million Besucher Zeuge des Spektakels werden.

Weil aber jeder mit seiner 69 DM teuren Tageskarte Zutritt zu allen Feldern der Zukunft erwirbt, ist Frust programmiert - lange Warteschlangen vor den beliebtesten Attraktionen werden zum Alltag gehören.Expo-Insider befürchten gar, daß die horrenden Wartezeiten vor dem deutschen Pavillon auf der Expo in Lissabon im vergangenen Jahr nur ein fader Vorgeschmack auf das waren, was die Besucher im gewöhnlich regnerischen Hannover erwartet.Mußten Interessierte in Portugal bis zu sieben Stunden warten, ehe sie eingelassen wurden, können sie in Hannover gleich wieder umdrehen: Der deutsche Pavillon jedenfalls wird den meisten Expo-Gästen gänzlich verschlossen bleiben, unken einige der Expo-Gesellschafter schon heute.Fraglich auch, ob es in den Schaubuden entlegenerer Weltregionen wie Tuvalu (Südsee) oder St.Kitts und Nevis (Karibik) geruhsamer zugeht: Denn jedes Land darf selbst entscheiden, wie viele Besucher es einläßt.

Der Krisenplan: Die enttäuschten Expo-Gäste sollen mit einem Kultur- und Ereignisprogramm abgespeist werden, fieberhaft wird an einem dichten Spaßprogramm für den kleinen Mann gefeilt: Kleinkunst statt Kaleidoskop der Weltläufte, rhythmische Sportgymnastik statt Mobilität im kommenden Jahrtausend.

Irgendwie stimmig und in jedem Fall stimmungsvoll soll es trotzdem werden: zum Beispiel mit Rockkonzerten berühmter Stars.Die kosten allerdings extra.Und sind zum Teil auch schon ausverkauft - weil die neue Expo-Arena gerade mal für 14 000 Besucher Platz hat.

Die Expo hütet die fatalen Schätzungen als Betriebsgeheimnis, um niemanden von einer Reise zu den Parkplätzen der niedersächsischen Landeshauptstadt abzuschrecken.Weniger Besucher als die geschätzten 40 Millionen nämlich würden das ohnehin wacklige Finanzierungsgebäude endgültig zum Einsturz bringen.Bisher ist der Steuerzahler mit 200 Mill.DM zum Ausgleich des Defizits im Boot.Jeder Besucher weniger aber würde den drohenden Verlust vergrößern.

Und möglicherweise die Wirtschaft vergrätzen, die einen guten Teil der Expo-Finanzierung sicherstellt: Die Expo geht offiziell davon aus, daß sie außer dem Eintrittsgeld knapp eine Mrd.DM einnehmen wird - aus Sponsorengeldern, Lizenzgebühren für den Expo-Klecks und Pachtgeldern für die Toiletten beispielsweise.

Thomas Borcholte, Bereichsleiter Marketing und Vermarktung, ist immer noch überzeugt davon, in den "kommenden Wochen zwei weitere Weltpartner-Verträge unterzeichnen zu können", die jeweils mindestens 30 Mill.DM bringen.Das werde die Finanzen der Gesellschaft genau so aufbessern wie die neue Kampagne, die für Maskottchen Twipsy geplant ist: Der zahnlose Zwitter, der auf einem Sneaker und einem Stöckelschuh durch die Welt taumelt, soll in Deutschland jetzt Karriere machen.Expo-Chefin und Gartenliebhaberin Birgit Breuel sieht ihn schon in jedem deutschen Vorgarten grüßen: statt des Gartenzwerges und zwei Meter 50 hoch zum stolzen Preis von 4650 DM.

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