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Wirtschaft: "Die Finanzbehörden bauen Steuersündern goldene Brücken"

Als 1993 die Zinsabschlagssteuer von 30 Prozent eingeführt wurde, beeilten sich Anleger, ihr Geld ins Ausland zu schaffen.Schätzungen zufolge flossen mehrere 100 Mrd.

Als 1993 die Zinsabschlagssteuer von 30 Prozent eingeführt wurde, beeilten sich Anleger, ihr Geld ins Ausland zu schaffen.Schätzungen zufolge flossen mehrere 100 Mrd.DM über die Grenzen auf ausländische Konten.Kritiker der rot-grünen Steuerreform fürchten eine neue Kapitalflucht, nachdem der Sparerfreibetrag gesenkt und die Spekulationsfristen verlängert wurden.Henrik Mortsiefer sprach mit Thorsten Koppelmann, Rechtsanwalt in Berlin und Experte für Steuerstrafrecht, über Fluchtwege, Kontrollen und Risiken für Anleger.

TAGESSPIEGEL: Herr Koppelmann, wird es eine neue Kapitalflucht geben?

KOPPELMANN: Ich glaube nicht, daß uns eine neue Fluchtwelle bevorsteht.

TAGESSPIEGEL: Warum nicht?

KOPPELMANN: Die Kontrollen der Finanzbehörden und die Meldepflicht der Banken sind so verschärft worden, daß viele Anleger abgeschreckt wurden.Zudem haben die Durchsuchungsaktionen bei Großbanken Informationen über Kapitalbewegungen in der Vergangenheit offenbart, die nun zurückverfolgt werden.Das verunsichert viele.

TAGESSPIEGEL: Wer muß denn mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen?

KOPPELMANN: Wenn die Finanzbehörden feststellen, daß Zinseinkünfte im Ausland, die über die Freibeträge hinausgehen, in Deutschland nicht versteuert wurden, bestehen mehrere Möglichkeiten.Entweder der Steuerpflichtige wird aufgefordert, nachzuzahlen.Oder der Vorgang wird an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

TAGESSPIEGEL: Wieviel muß denn hinterzogen worden sein, damit sich die Staatsanwaltschaft einschaltet?

KOPPELMANN: Die Finanzbehörden bauen den Steuersündern goldene Brücken.Bei Zinsbeträgen bis etwa 5000 DM passiert in aller Regel nichts.Das heißt, es kann nachgezahlt werden, ohne daß der Fall beim Staatsanwalt landet.Bei Zinsbeträgen, die darüber hinausgehen, kann es allerdings teuer werden.Die Geldstrafen reichen von 30 bis 60 Tagessätzen, die sich am Einkommen des Betroffenen orientieren.In schweren Fällen drohen Freiheitsstrafen.

TAGESSPIEGEL: Wer Kapitalerträge hinterzogen hat, kann sich mit einer Selbstanzeige zur Straffreiheit verhelfen.Wann ist eine solche Selbstanzeige sinnvoll?

KOPPELMANN: Immer dann, wenn die Hausbank durchsucht worden ist und der Anleger in den letzten Jahren größere Geldsummen ins Ausland transferiert und die Erträge daraus in der Steuererklärung verschwiegen hat.Das Wort "Selbstanzeige" muß übrigens dabei gar nicht auftauchen.Am Ende kann eine solche Vorgehensweise billiger sein, als darauf zu hoffen, nicht ertappt zu werden.

TAGESSPIEGEL: Lohnt sich der Weg ins Ausland überhaupt noch angesichts der angestrebten Steuerharmonisierung in Euroland?

KOPPELMANN: In den kommenden drei Jahren dürfte es sich für vermögende Anleger weiter lohnen, auf seriösem Wege Kapital im europäischen Ausland anzulegen.Vor allem, in den Ländern, die den Euro noch nicht eingeführt haben, also etwa in Großbritannien, Norwegen oder Liechtenstein.Für den Kleinanleger lohnt es sich aber kaum, Erspartes ins Ausland zu bringen.

TAGESSPIEGEL: Bei welchen Angeboten ist Vorsicht angebracht?

KOPPELMANN: Finger weg von sogenannten Finanzdienstleistern, die dubiose Kapitalanlagen im Ausland offerieren - meist in Zeitungsinseraten.Anleger sollten den klassischen Markt der Auslandsanleihen oder Angebote der Hausbank prüfen.Aber auch hier gibt es immer weniger Möglichkeiten.Die deutschen Institute sind nach den Durchsuchungsaktionen zurückhaltender geworden.Anfang der 90er Jahre wurde noch gerne auf die Tochtergesellschaften in Luxemburg hingewiesen.Das hat sich geändert.

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