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Wirtschaft: Die Firmenhaie auf dem Weg nach Europa

NEW YORK . Als Übernahmekünstler, Herauskäufer oder Firmenhaie hatten sie den Kapitalismus in Verruf gebracht.

NEW YORK . Als Übernahmekünstler, Herauskäufer oder Firmenhaie hatten sie den Kapitalismus in Verruf gebracht. Rechts und links pumpten sie Kredite zusammen, die Banken waren willige Helfer und der US-Staat subventionierte auch noch die Zinsen. Da konnte wenig schief gehen und die Mitwirkenden wurden zum Teil steinreich. Dann verschwanden die bösen Buben der "Deal"-besessenen achziger Jahre von der Bildfläche. Namen wie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), Forstmann Little und Wasserstein Perella tauchten nur noch gelegentlich auf. Ihre Spezialität waren "Leveraged buyouts" oder Lbos gewesen: Firmenkäufe auf Pump unter Beteiligung von Vorstandsmitgliedern. Ganz weg vom Fenster sind die Lbo-Firmen aber nie gewesen, nur die Presse nimmt weniger Notiz von ihnen.

Beschwert hat sich deswegen keiner in der Branche. Leute wie Joe Rice, Chef der Buyout-Boutique Clayton, Dubilier & Rice Inc (CD&R), freuen sich sogar darüber, nicht mehr im Scheinwerferlicht zu stehen. Die Publicity war ohnehin meist negativ gewesen. Denn bei Herauskäufen bleiben gewöhnlich Arbeitsplätze auf der Strecke. Kein Wunder, daß sich die Branche einer Sprachregelung unterzogen hat: Der Begriff Lbo ist absolut "out", es lebe "private equity finance". Da der Restrukturierungsprozeß in der amerikanischen Industrie bereits weit fortgeschritten ist und die "deals" nicht mehr auf der Straße liegen, wenden sich US-Finanzboutiquen zunehmend den Auslandsmärkten zu. CD & R hat besonders Deutschland im Visier. "Deutsche Unternehmen sind zunehmend focussiert, wie die amerikanischen in den achziger und frühen neunziger Jahren", sagte Rice bei einem kürzlichen Interview. "Als wir vor fünf Jahren bei deutschen Managern anklopften, waren unsere Ansprechspartner höflich, aber uninteressiert. Das hat sich alles geändert. Niemand glaubt heute noch, daß größer unbedingt besser ist".

Tatsache ist, daß Unternehmen in Europa und anderswo in der Welt unter Druck des globalen Wettbewerbs stehen und ihre Aktionäre "shareholder value" fordern. Viele Firmen schleppen Produktgruppen mit sich herum, die nicht mehr in die Gesamtstrategie passen. Andere haben viel Geld in eine sinnlose Investition gesteckt, die sie auf elegante Weise los werden wollen, ohne durch Entlassungen unliebsame publicity auf sich zu ziehen. Leute wie Rice bieten Lösungen an. Ein Beispiel ist der Herauskauf des IBM- Schreibmaschinen-und Billigdruckerbereich im Jahr 1991. Vor dem Buyout bastelte CD & R in Kooperation mit IBM ein Jahr lang an einem Geschäftsplan. Heute firmiert das Unternehmen als Lexmark und verdient Geld. "Als der Aktienkurs 100 Dollar erreichte, waren die Mitarbeiteranteile eine Mrd. Dollar wert", sagte Rice. "Einige Mitarbeiter sind wohlhabende Leute geworden".

CD & R wurde 1978 gegründet und gehört damit zu den Branchenältesten. Die Gründer sind der inzwischen verstorbene Martin Dubilier, Gene Clayton, der im Ruhestand lebt, und Rice. Die Firma unterscheidet sich nach Darstellung von Joe Rice insofern von anderen Lbo-Boutiquen, daß sie die übernommenen Bereiche eine Zeitlang in eigener Regie weiterführt oder den neuen Managern mit Rat und Tat zur Seite steht. Rice: "Unsere Stärke ist nicht nur die Finanzierung, sondern wir wissen, wie man ein Unternehmen führt. Wir sind Ko-Manager bei den Unternehmen, in die wir investieren". CD & Rs Stärken liegen laut Rice in der herstellenden Industrie und im Vertrieb. Technologie, Immobilien, Energie und Einzelhandel gehören nicht dazu. Rice: "Davon verstehen wir zu wenig". Die Firma schaut sich auch nur in Ländern nach Geschäftsmöglichkeiten um, in denen Stabilität und rechtsstaatliche Verhältnisse herrschten, wo Bilanzen ernst genommen würden und persönliche Beziehungen nicht die ausschlaggebende Rolle spielten. "Da bleiben nur noch die Vereinigten Staaten und Europa übrig", sagt Rice. Selbst von Japan will Rice aufgrund der ihm fremden Geschäftspraktiken der Japaner nichts wissen; er gesteht aber, daß er mit dieser Meinung in der eigenen Firma keinen großen Rückhalt findet.

Mit dem Herauskauf von Thyssen Schulte Bautechnik stehen Rice und seine Experten an der Schwelle ihres ersten Buyout in Europa und in Kürze will CD & R in London und irgendwo in Deutschland Niederlassungen eröffnen. "Ich habe große Hoffnungen. Der Euro und der globale Wettbewerb wird dramatische Veränderungen bringen", sagt Rice. Im Fall des Unternehmensbereichs Schulte Bautechnik, von dem sich Thyssen nach dem Zusammenschluß mit Krupp getrennt hat, sei es bis zur letzten Minute nicht sicher gewesen, ob die deutschen Manager ihr eigenes Geld in das Buyout stecken würden. CD & R hat in Schulte 140 Mill. DM investiert und will diesen Betrag verdoppeln, damit Schulte genügend Geld für Akquisitionen hat. Die Kaufsumme betrug 300 Mill. DM. "Als wir Schulte kauften", erinnert sich Rice, "hatte die Firma rote Zahlen geschrieben. Unsere Aufgabe liegt nun darin, das Unternehmen beim derzeitigen Umsatzvolumen von 1,6 Mrd. DM profitabel zu machen". Der Umsatz soll in den nächsten paar Jahren auf vier Mrd. DM steigen.

Die Düsseldorfer Henkel KGaA will sich, wie im April bekannt gegeben wurde, im Rahmen eines Buyout von ihren restlichen Geschäftsaktivitäten mit Papierhilfsmitteln trennen. Bei diesem Deal hat allerdings CD & R nicht die Hand im Spiel, sondern die schwedische Nordic Capital. Sie wird mit einer Gruppe von Henkel-Managern verhandeln. Henkels Chemiebereich, zu dem die Produktionsgruppe Papierhilfsmittel gehört, will sich mit diesem Schritt stärker auf seine Kerngeschäfte focussieren. Europas bisher größter Buyout ist der Kauf des Spezialchemikalienbereichs von Astra Zeneca durch Cinven und Investcorp für 1,3 Mrd. Dollar, bei der die Lbo-Experten von Chase Manhattan Bank Steigbügelhilfen leisten. CD & R peilt eine Jahresrendite auf das eingesetzte Kapital von 30 Prozent an. Bis dahin ist der Weg noch weit. 1998 lag die Einjahresrendite bei 10,8 Prozent und in den achziger Jahren waren Renditen bis zu 50 Prozent erzielt worden; allerdings, so Rice, sei damals der Wettbewerb geringer gewesen und die Deals seien mit höheren Schulden finanziert worden.

Buyout-Firmen beschaffen sich ihr Kapital in den meisten Fällen bei Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen. Die treibende Kraft hinter dem Sprung von Amerika nach Übersee von Firmen wie CD & R sei der Kapitalüberschuß auf dem US-Markt, sagt Graham Hutton, Leiter der Abteilung Privatkapital bei der Deutschen Bank, kürzlich in der Financial Times. Nach Huttons Schätzung warten bereits jetzt etwa 60 Mrd. Dollar auf Anlagemöglichkeiten.

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