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Fast fertig: EZB-Neubau am Main-Ufer in Frankfurt

© dpa

Die Geldpolitik der EZB: Alles hängt am Zins

Während Schuldner von der Zinssenkung der EZB profitieren, müssen Sparer mit Einschnitten rechnen. Die Krisenstaaten profitieren aber erst einmal, denn sie können sich nun zu günstigeren Konditionen Geld beschaffen

Von Carla Neuhaus

Berlin - Nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,15 Prozent zu senken, geht das Rechnen los: Wer profitiert, wer verliert? Glaubt man Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon, gehen den deutschen Sparern durch die Anpassungen der Geldpolitik 15 Milliarden Euro verloren. So hoch seien die Zinseinnahmen, auf die sie verzichten müssten, wenn sie Geld fürs Alter zurücklegten. Andererseits werden die Deutschen aber auch ein Stück weit entlastet: Weil der Staat weniger Zinsen für seine Schulden zahlen muss, könnte der Haushalt bereits 2015 ausgeglichen sein, rechnet die Bundesbank vor. Das entlaste indirekt den Steuerzahler.

Experten warnen vor Blasenbildung

Stärker als die Deutschen profitieren allerdings die Regierungen der Krisenstaaten von der EZB-Politik. Die Anleihezinsen sind im Süden Europas am Freitag gefallen. Das heißt, die Regierungen dort können sich zu günstigeren Konditionen Geld von den Investoren leihen. Die Rendite fünfjähriger Staatsanleihen aus Griechenland ging zum Beispiel um 25 Basispunkte auf 4,46 Prozent zurück. Neben den Staaten profitieren von der Zinssenkung all diejenigen, die ein Eigenheim kaufen wollen. Das lässt sich derzeit extrem günstig finanzieren. Der Effektivzins für Baugeld mit einer zehnjährigen Laufzeit liegt im Schnitt bei 2,21 Prozent.

Die Kehrseite dieser Entwicklung: Wenn die Kredite noch günstiger werden, treibt das die Immobilienpreise nach oben. Gleichzeitig stecken mehr Anleger angesichts mickriger Zinsen für andere Anlagen ihr Geld in Aktien. Erste Experten warnen vor einer Blasenbildung. „Wenn die Risikobereitschaft der Investoren und die Jagd nach Rendite infolge der Nullzinspolitik weiter steigt, mehren sich die Gefahren für Rückschläge an den Finanzmärkten“, sagt Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Entscheidend für die Sparer ist, wie die Banken auf die EZB-Entscheidung reagieren. Die EZB hat nicht nur den Leitzins gesenkt, sondern fordert zum ersten Mal in ihrer Geschichte von den Instituten einen Strafzins, wenn sie Geld bei der EZB parken wollen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat die Banken aufgefordert, die Kunden nicht zusätzlich zu belasten. „Dass die Übertragung geldpolitischer Impulse nicht funktioniert, darf nicht zulasten der Verbraucher gehen“, sagte Verbandschef Klaus Müller.

Banken kritisieren Zinssenkung

Für Tagesgeld bekommen Verbraucher bereits jetzt im Schnitt nur noch 0,67 Prozent Zinsen – die höchsten Angebote liegen bei 1,4 Prozent. Experten gehen davon aus, dass die Tagesgeld-Zinsen nach der EZB-Entscheidung schon bald weiter sinken werden – vor allem bei Instituten, die derzeit noch vergleichsweise gute Konditionen bieten. Betroffen können davon auch bereits abgeschlossene Verträge sein. Denn in der Regel können die Banken die Tagesgeld-Zinsen flexibel anpassen. Das gilt nur dann nicht, wenn das Geldhaus dem Kunden eine befristete Zinsgarantie gewährt hat. Bei bereits abgeschlossenen Verträgen für ein Festgeldkonto ändert sich dagegen nichts: Der Zins ist bei einer solchen Anlage für den gesamten Zeitraum fest vereinbart.

Die meisten Banken haben die Zinssenkung scharf kritisiert. „Die Zeche werden die deutschen Sparer hierfür in Form niedriger Einlagezinsen zahlen, die ihr Realkapital angreifen und ihre Altersversorgung schmälern wird“, sagte der Vorstandsvorsitzende der PSD Bank Nord, Dieter Jurgeit. Einzig die Berliner Quirin Bank verspricht, die niedrigen Leitzinsen nicht an die Kunden weiterzugeben. „Wir sind der Auffassung, dass die von der EZB ergriffenen Maßnahmen nicht zulasten unserer Kunden gehen dürfen“, sagte Quirin- Chef Karl Matthäus Schmidt.

Die Fraktion der Grünen hat nach der EZB-Entscheidung erneut eine gesetzliche Obergrenzen für Dispozinsen gefordert. Hilflose Appelle an die Banken reichten nicht, sagte Grünenpolitikerin Nicole Maisch. Verbraucher-Staatssekretär Gerd Billen sagte, die Zinssenkung bedeute, dass die Institute sich noch lange sehr billig Geld leihen könnten. „Wenn Banken gleichzeitig für die Inanspruchnahme von Dispo-Krediten völlig überzogene Zinsen nehmen, ist das aus Sicht der Verbraucher unverständlich.“ (mit dpa)

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