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Wirtschaft: Die gestiftete Reise als teurer Spaß

Anzeige gegen "media umfrageservice" / Viele Gäste begeistertVON ECKARD STENGEL, BREMEN"Ich war zunächst skeptisch, aber dann insgesamt angenehm überrascht", sagt Frau W."Es war fürchterlich", meint dagegen Frau P.

Anzeige gegen "media umfrageservice" / Viele Gäste begeistertVON ECKARD STENGEL, BREMEN

"Ich war zunächst skeptisch, aber dann insgesamt angenehm überrascht", sagt Frau W."Es war fürchterlich", meint dagegen Frau P.Beide sprechen von derselben Sache: Sie haben an Reisen der umstrittenen Berliner Firma "media umfrageservice" teilgenommen und ihre Erfahrungen jetzt dem "Tagesspiegel" geschildert.Verbraucherschützer in Berlin und Bremen hatten dem überregional aktiven Unternehmen kürzlich, wie berichtet, "wettbewerbswidrigen Kundenfang" vorgeworfen.Inzwischen ist auch eine Strafanzeige gegen den Geschäftsführer eingegangen.Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob er womöglich irreführende Werbung treibt.Die Masche von "media": Die Firma schreibt massenhaft Haushalte an, bittet um die Teilnahme an einer belanglos erscheinenden Meinungsumfrage und stiftet dann einen achttägigen Hotelaufenthalt für zwei Personen auf Malta oder in der Türkei.Der Pferdefuß: Der Flug muß selbst bezahlt werden.Gebucht werden soll möglichst über "media". Die Berlinerin Frau W.findet es zwar "nicht in Ordnung", wie die Firma Kunden anwirbt, hat die Türkei-Reise im Januar aber sehr genossen: "Das Hotel war Spitze", das (selbst zu bezahlende) Abendbüfett "vom Feinsten".Auf Nachfrage bestätigt sie allerdings einen Teil der Vorwürfe, wie sie von der erbosten Frau P.samt Ehemann und einem befreundeten Paar erhoben werden, die im März nach Antalya flogen: Das Flugzeug der Gesellschaft "Top Air" sei nicht die angekündigte Maschine gewesen, sondern "wirklich eine Gurke" (Frau W.).Frau P.berichtet von losen Sitzen, abfallenden Griffen und Stewardessen ohne Deutsch- und Englischkenntnisse."Ein bedauerlicher Einzelfall" sagt dazu ein "media"-Sprecher auf Nachfrage. Auf der Busfahrt ins Hotel (es war bei beiden Reisen nicht das angekündigte) sollten die Teilnehmer ohne Preisvergleich für die ganze Zeit das Abendessen buchen - für 20 DM pro Tag.Anderes Essen gäbe es in der Gegend nicht, soll der Reiseleiter zu Frau P.und ihren Freunden gesagt haben.Hinterher habe sich dies als falsch erwiesen.Von Hotelmanagern will Frau P.später erfahren haben, daß das Büfett für andere Gäste nicht 20, sondern nur 9 bis 13 DM koste."media" bestreitet dies.Immerhin lobt auch Frau P., das Büfett sei "reichlich und gut" und das Hotel "in Ordnung" gewesen.Ärgerlich wiederum war für sie und ihre Freunde, daß sie 100 DM für drei längere Ausflüge zahlen sollten, unter anderem für eine Zwei-Tages-Tour mit Übernachtung.Wer im Stammhotel bleiben wollte, mußte 50 DM berappen - weil das Zimmer für diese eine Nacht nicht gebucht sei, wie "media" sagt. Die Ausflüge führten auch zu Teppich-, Leder- und Goldschmiede-Manufakturen.Der Besuch bei den Teppichknüpfern habe samt Verkaufsschau drei Stunden gedauert, klagt Frau P.Frau W.fand die Vorführungen nicht lästig, rügt aber die fehlende Chance zum Preisvergleich.Was Frau W.ferner störte: Zwei Einzelreisende sollten für ihren gewonnenen Hotelaufenthalt Einzelzimmerzuschläge zahlen (was "media" bestätigt).Um dies zu vermeiden, hätten sich die beiden notgedrungen einen Raum geteilt - "mit nur einem Schlüssel", wie sie betont, "obwohl die überhaupt nicht zueinander paßten". Im Endeffekt, so glaubt Frau P., war die "gewonnene" Reise viel teurer als Komplettangebote anderer Veranstalter.Kommentar des "media"-Sprechers: Dafür bekämen seine Gäste bessere Qualität geliefert.Als Beleg faxt die Firma diverse Dankschreiben, in denen Teilnehmer den Veranstalter in höchsten Tönen loben ("Es waren bilderbuchschöne Tage").Im übrigen, so behauptet der Sprecher, gehe es "media" gar nicht um den Verkauf von Flugtickets oder ums Abzocken vor Ort: "Wir verdienen unser Geld mit Umfragen." Deren Auftraggeber will er aber nicht nennen.Verbraucherschützer sehen die Firma weiterhin kritisch.Nach einer vergeblichen Abmahnung hat der Berliner Verbraucherschutzverein nach Angaben einer Sprecherin jetzt beschlossen, "media" wegen Wettbewerbsverstößen zu verklagen.

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