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Wirtschaft: Die gewaltige Wut der Hafenarbeiter

Proteste gegen Liberalisierungspläne der EU eskalieren – Polizei setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

Berlin/Straßburg- Die Proteste gegen geplante Hafenrichtlinie Port Package II sind am Montag in Straßburg eskaliert: Rund 6000 Hafenarbeiter ließen ihrer Wut freien Lauf. Sie fürchten durch die vorgesehene Liberalisierung der Hafendienste, um ihre Arbeitsplätze. Bei den Protesten gingen Fensterscheiben der gläsernen Fassade des Europaparlaments zu Bruch, Demonstranten bewarfen Polizisten mit Steinen und Eisenstangen, die Polizisten wehrten sich mit Tränengas und Wasserwerfern. Nach Angaben der Behörden wurden zwölf Polizisten verletzt, 13 Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen.

Nicht nur in Straßburg, ist die Wut groß. Die Hafenarbeiter in Belgien, Griechenland, Frankreich und Spanien traten am Montag in den Streik. In Deutschland war schon vergangene Woche die Arbeit niedergelegt worden. Die Aktionen werden wohl mindestens bis Mittwoch weitergehen. Denn an diesem Tag wird die Volksversammlung über die von der Kommission vorgelegte Richtlinie „Port Package II“ abstimmen. Eine Zustimmung der Abgeordneten gilt aber als fraglich. Umstritten ist etwa der Punkt, dass durch die Richtlinie die „Selbstabfertigung“ an den Häfen eingeführt werden soll. Das hieße, dass die Seeleute auf den Containerschiffen ihre Fracht selbst entladen könnten – und nicht mehr auf die Dienstleister an den Häfen angewiesen wären. „Auf Dauer würden mehrere Tausende Arbeitsplätze verloren gehen“, sagte Jan Kahmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi, dem Tagesspiegel.

Der zuständige Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Georg Jarzembowski (CDU), wies diesen Vorwurf zurück. „Die Selbstabfertigung würde aus der Richtlinie ohnehin ganz heraus genommen werden – wenn die Mehrheit der Parlamentarier erst einmal prinzipiell zugestimmt hat“. Zweite Kontroverse bei der Richtlinie ist, dass die Lizenzen an den Häfen öffentlich ausgeschrieben werden sollen. „Bisher wird die Vergabe in den Hinterzimmern der Rathäuser ausgekungelt“, sagte Jarzembowski. In Malta etwa gäbe es Laufzeiten von 99 Jahren. In Deutschland seien es zwar 30 Jahre, jedoch würden immer die gleichen Dienstleister die Zugabe bekommen. „Es ist im Sinne der Verbraucher und des Wettbewerbs, dass es öffentliche Ausschreibungen gibt“, sagte er. Die Kommission plädiert jedoch für Ausschreibungen mit einer Zeitspanne von drei Jahren. Verdi-Vorstand Kahmann befürchtet, dass dies Arbeitsplätze extrem gefährden würde. Zudem würden die Firmen in einer so kurzen Zeit kaum in die Infrastruktur investieren. Aber auch das will Jarzembowski zufolge die Mehrheit der EU-Volksvertreter verhindern: So soll die Vergabe 36 Jahre gültig sein. Investiert das Unternehmen in den letzten zehn Jahren, sogar 46 Jahre lang.

Dennoch, Jarzembowski rechnet am Mittwoch nicht mit einer Zustimmung zur gesamten Richtlinie. Dann gebe es allerdings gar keine Rechtsgrundlage, und die Kommission, die für den Wettbewerb in der EU zuständig ist, könne von Fall zu Fall entscheiden. „Dann müssen die Häfen vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, wenn sie nicht einverstanden sind“, sagte er.

Flora Wisdorff

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