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Wirtschaft: „Die Gewerkschaften müssen sich ändern“ Britischer Verbandschef zur Zukunft der Arbeitnehmerlobby

Berlin. Die Gewerkschaften in Europa laufen Gefahr, überflüssig zu werden, wenn sie sich nicht ändern.

Berlin. Die Gewerkschaften in Europa laufen Gefahr, überflüssig zu werden, wenn sie sich nicht ändern. Davon ist John Monks, Chef des britischen Gewerkschaftsbundes (TUC), überzeugt. Die „größte, und nicht die siebente oder achte" Herausforderung sei, vor allem jungen Menschen und Beschäftigten in neuen Wirtschaftszweigen klar zu machen, dass Gewerkschaften auch für sie wichtig sind. „Dafür müssen wir ihnen zeigen, dass wir etwas ausrichten können“, sagte Monks im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Früher habe es in den alten Industrien wie Stahl und Kohlebergbau eine Tradition gegeben, sich automatisch und kollektiv aufeinander zu verlassen. Darauf könnten die Gewerkschaften heute nicht mehr bauen. Doch viele Probleme könnten nur von Gewerkschaften angesprochen werden. „Wer würde sich um ein ausreichendes Lohnniveau kümmern, wenn nicht wir? Wer um Probleme bei den Renten, wenn nicht wir?" In der konkreten Arbeit gehe es für die Gewerkschaft in Europa darum, Modelle der Sozialpartnerschaft zu bewahren. Und in den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten sollten sie den Aufbau einer Arbeitnehmervertretung unterstützen, der die Menschen trotz der schlechten Erfahrungen aus kommunistischen Zeiten vertrauen könnten. „Wir sollten nicht dem amerikanischen Vorbild folgen, sagte Monks. In den USA gebe es „überhaupt keinen zivilisierten Schutz für Beschäftigte".

Aufgabe der Gewerkschaften sei es aber, „nicht den Status quo zu erhalten, sondern den Menschen beizubringen, wie sie mit dem Wandel der Gesellschaft am besten fertig werden". Auf der anderen Seite dürften jedoch keine Arbeitgeber stehen, die Flexibilität allein als „hire and fire" begreifen. Flexibel müsse vor allem der Umgang mit den Arbeitnehmern und ihre Weiterbildung sein. Das habe für beide Seiten Vorteile. „Wenn ein Arbeitgeber mir gegenüber nicht loyal ist, dann bin ich es auch nicht." In Großbritannien gebe es daher in einigen Kernbranchen große Personalengpässe, sagte Monks.

In den schwelenden Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in einer Reihe von Ländern der EU sieht Monks kein Anzeichen für einen Linksruck der europäischen Gewerkschaften. Vor allem seien dies Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst, weil die Regierungen europaweit zum Sparen gezwungen sind. Großbritannien habe in den vergangenen 20 Jahren einen vorbildlosen Frieden in den Arbeitsbeziehungen erlebt – vor allem dank des stark gestiegenen Wohlstands. „Die Jahre seit 1994 sind wahrscheinlich die besten, die Großbritannien seit Ende des Zweiten Weltkriegs überhaupt erlebt hat“, sagte Monks. Bloß eine Gruppe der Beschäftigten habe davon vergleichsweise wenig gehabt: die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. So verlangten jetzt zum Beispiel die Feuerwehrleute einen Ausgleich.

Mit Blick auf den Euro kritisierte Monks den Maastrichter Stabilitätspakt. Deutschland zum Beispiel brauche jetzt eine lockere Geldpolitik, um die Wirtschaft wieder flott zu machen. „Ich bin ein großer Anhänger des Euros. Und es muss auch feste Regeln geben, damit kein Land über ein zu großes Defizit auf Kosten der anderen lebt", sagte Monks. Aber die Regeln müssten flexibler ausgelegt werden. Deutschland habe eine relativ niedrige Verschuldungsrate, da müsse es dem Land auch erlaubt werden, mehr Schulden zu machen als andere im gemeinsamen Währungsraum. Monks betonte, die britischen Gewerkschaften seien für den Beitritt Großbritanniens zur Euro-Zone. Allerdings gebe es in diesem Jahr nur eine geringe Chance dafür, dass es ein Referendum darüber geben würde. Die Stimmung sei zu negativ – auch wegen der rigiden Anwendung des Stabilitätspaktes.

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