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Wirtschaft: Die große Abrechnung

Arbeitsmarkt, Gesundheit, Steuern – die Reformpläne der Regierung taugen nicht, kritisieren die führenden Wirtschaftsinstitute

Berlin - Die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben zentrale Reformprojekte der Bundesregierung scharf kritisiert. Die Vorhaben beim Arbeitsmarkt, der Gesundheit, den Unternehmensteuern und der Haushaltssanierung blieben „weit hinter dem zurück, was zur Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich wäre“, erklärten die Fachleute in ihrem am Donnerstag vorgestellten Herbstgutachten. Einige der Pläne für den Arbeitsmarkt „würden die Wachstumsaussichten sogar verschlechtern“.

Die sechs Institute begründeten diese Einschätzung damit, dass sich die Regierung offenbar nicht zu einem Grundprinzip guter Wirtschaftspolitik durchringen könne, „nämlich die Eingriffe des Staates dort zurückzuführen, wo der Marktprozess bessere Lösungen liefert“. Auf der anderen Seite habe der Staat zuletzt viele seiner eigentlichen Aufgaben vernachlässigt, etwa bei der Bildung oder bei Investitionen in die Infrastruktur. „Wir haben so viele Arbeitslose, weil wir in Deutschland nicht die richtige Politik machen – und nicht, weil es externe Einflüsse gibt“, sagte Alfred Steinherr, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Es liegt nicht am mangelnden Fleiß, nicht am technischen Fortschritt, nicht an zu hohen Zinsen oder daran, dass uns die Chinesen etwas wegnehmen.“ In Nachbarländern sei die Arbeitslosigkeit viel geringer, obwohl man es dort ähnliche Bedingungen gebe.

Beim Thema Arbeitsmarkt wandten sich die Institute gegen Mindest- und Kombilöhne. Werde eine Lohnuntergrenze etwa von 7,50 Euro eingeführt, wie es die Gewerkschaften wollten, „dann betrifft dies bereits zehn Prozent der Beschäftigten“, warnte Gebhard Flaig vom Ifo-Institut. Deren Arbeit werde dann noch teurer – mit der Folge, dass die Firmen noch kapitalintensiver produzierten. „Schon heute sieht man in der Straßenreinigung immer mehr Maschinen und immer weniger Menschen“, sagte er. Zu den Kombilöhnen, die die Regierung für Jugendliche und Ältere einführen will, hieß es, damit sänken womöglich die Beschäftigungschancen anderer Gruppen. Der Staat müsse vielmehr den Niedriglohnsektor ausbauen – indem er die Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose erhöhe und die Sätze beim Arbeitslosengeld II senke. „Es geht nicht darum, den Arbeitslosen etwas wegzunehmen, sondern darum, die Bedingungen so zu ändern, dass mehr Menschen Arbeit finden“, sagte Flaig.

Auch mit der Gesundheitsreform sind die Institute unzufrieden. Man sei skeptisch, dass sie „zu mehr Effizienz und Transparenz“ führe. Der vorgesehene Gesundheitsfonds sei teuer und verursache Bürokratie. Als Alternative schlugen die Ökonomen einen Systemwechsel vor, „der es den Bürgern mehr als bisher überlässt, Entscheidungen über Art und Umfang der Versicherung selbst zu fällen“.

Schlechte Noten bekam zudem die Unternehmensteuerreform. „Alles in allem sind die Nachteile vermutlich so groß, dass sie die Vorteile der angestrebten Nettoentlastung von etwa fünf Milliarden Euro aufwiegen“, finden die Forscher. Sie befürchten, die Reform bringe nicht die erhofften Impulse für die Binnenwirtschaft. In der Finanzpolitik erkennen die Ökonomen zwar an, dass das Staatsdefizit sinkt. Dies liege aber fast nur an den höheren Einnahmen. Für das Wachstum sei es besser, die Subventionen weiter zu senken und mehr zu investieren.

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