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Wirtschaft: Die Gründer ziehen sich zurück - aber nicht ganz

Es dürfte nur wenige Manager geben, die ihren Wert an der Börse ablesen können.Dietmar Hopp dagegen wußte am Abend des 5.

Es dürfte nur wenige Manager geben, die ihren Wert an der Börse ablesen können.Dietmar Hopp dagegen wußte am Abend des 5.Februar ziemlich genau, wie seine Arbeit geschätzt wird - auf etwa eine Mrd.DM.Um diese Summe schrumpfte der Börsenwert des Software-Riesen SAP, als Hopp an jenem Tag seinen 13 000 Beschäftigten rund um den Globus eine E-Mail verschickt hatte."Ich will mich aus der Position des Vorstandssprechers zurückziehen", stand da.Oft schlitterten Unternehmen durch einen verspäteten Führungswechsel in die Krise, schrieb er: "Bei SAP wollen wir einer solchen Gefahr vorbeugen."

Was folgte, war ein Hauch von Wehmut.Bereits als Hopp in der Führungskräftesitzung seinen Rückzug angekündigt hatte, herrschte Beklommenheit."Als er den Raum verließ, hatten wir alle das Gefühl, da geht eine Ära zu Ende", vertraute ein Vorstandsmitglied einem Reporter an."Vadder Hopp", wie er intern genannt wird, schuf zusammen mit Hasso Plattner das "Wunder von Walldorf" (Stern).Die Geschichte der kleinen Computerfirma SAP, die sich in einen Global Player verwandelte - mit voraussichtlich über acht Mrd.DM Umsatz und 16 000 Beschäftigten in diesem Jahr.

Der Rückzug des Dietmar Hopp ist nicht untypisch für die schnellebige Computerbranche, in der Unternehmer zu Popstars aufsteigen, so wie Microsoft-Gründer Bill Gates.Die Bande der Eigentümer zu ihren Firmen scheinen sich schneller zu lockern, nicht wenige ziehen sich vor dem Rentenalter aus dem aktiven Geschäft zurück.Ende Juli kündigte der Niederländer Jan Baan an, seinen Posten als Vorstandschef der niederländischen Softwareschmiede Baan zu räumen.Zwei Monate zuvor hatte sich Mit-Gründer Andy Grove als oberster Chef beim Chip-Hersteller Intel verabschiedet, und im Oktober vergangenen Jahres stieg Jost Stollmann bei dem von ihm ins Leben gerufenen Unternehmen Compunet aus.Er kehrte freilich mit dicken Schlagzeilen zurück, als künftiger Wirtschaftsminister einer möglichen SPD-Regierung.Dietmar Hopp dagegen bleibt SAP verbunden.Als Aufsichtsratvorsitzender.Er will weiter eine "sehr aktive Rolle" in der Erfolgsstory SAP spielen, die eher ins kalifornische Sillicon Valley als in die nordbadische Kleinstadt Walldorf gehört.

Sie begann 1972, als Hopp zusammen mit Plattner und zwei weiteren Kollegen eine sichere Karriere beim Computer-Multi IBM aufgab.Bei der Installation neuer Rechner hatte er festgestellt, daß er bei den Firmen "immer wieder das gleiche oder sehr ähnliches gemacht hatte".Das müsse sich doch in einem Programm standardisieren lassen, dachten die Programmierer, und gründeten das Unternehmen "Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung", kurz SAP.Inzwischen dominiert Hopps Konzern den Markt für Unternehmenssoftware wie Bill Gates die PC-Programme.Wenn General Electric seine Geschirrspüler plant, Coca-Cola seine Brause ausliefert oder die Berliner Verkehrsbetriebe ihre Fahrkartenabos verwaltet - immer ist SAP dabei.Mit einem geschätzten Vermögen von 7,9 Mrd.DM zählt Hopp zu den reichsten Deutschen, auch wenn er sich angeblich im Club der Milliardäre unwohl fühlt.

Ähnlich redet Jan Baan, der über die US-Amerikaner sagt, daß dort die "Leute mit Dollar-Zeichen in den Augen geboren werden".Baan, überzeugter Calvinist, Vater von acht Kindern redet nicht nur, er hält sich auch als Unternehmer an die Religion.Anteile seiner Firma hat er einer weltweiten Stiftung für karitative Arbeit übertragen.Angestellte sucht er in Kirchenzeitungen, und Sonntagsarbeit ist bei ihm verboten - selbst an der Hotline.Der Ethos hinderte ihn nicht, vom kleinen Buchhalter einer Fleischfabrik zur holländischen Version von Bill Gates aufzusteigen.Zusammen mit seinem Bruder Paul gründete er 1978 in einer kleinen Scheune in dem niederländischen Städtchen Putten die Softwarefirma Baan.Heute ist sie auf dem Markt für Unternehmenssoftware einer der härtesten Konkurrenten von SAP, beschäftigt in über 60 Ländern mehr als 5000 Menschen und war an der Börse im vergangenen Jahr gut zwölf Mrd.DM wert.

Ende Juli zog sich Jan Baan zurück und will nur noch im Aufsichtsrat sitzen.Angeblich entschloß er sich dazu in den kanadischen Bergen, beim Urlaub mit seiner vielköpfigen Familie.Vermutlich war es nur eine Flucht nach vorn.Analysten kritisieren schon länger die chaotische Informationspolitik und die unübersichtliche Firmenstruktur bei Baan, die die tatsächlichen Geschäfte der Firma verschleiere.Seit April hat die Aktie des einstigen Börsenlieblings in den Niederlanden fast ein Drittel an Wert verloren.

Härtere Zeiten erwarten auch Craig Barret, den neuen Chef bei Intel.Andy Grove, der den weltweit größten Chip-Hersteller mit ins Leben rief, elf Jahre lang leitete und sich jetzt nur noch um strategische Fragen kümmert, hinterließ große Schuhe.In seiner Zeit verzehntfachte sich der Umsatz auf 25,1 Mrd.Dollar, und der Nettogewinn stieg um das Dreißigfache auf 6,9 Mrd.Dollar im vergangenen Jahr.Das Time-Magazin kürte ihn 1997 zum Mann des Jahres.Doch Groves Nachfolger kämpft jetzt mit sinkenden Chip-Preisen und einer Klage der US-Kartellbehörde.Intel soll unfaire Methoden gegen Kunden angewendet und seine Marktmacht mißbraucht haben; neun von zehn Mikroprozessoren stammen von Intel.

Grove, Baan und Hopp - die Gründer in der Computerbranche ziehen sich zurück, aber nicht ganz.Nur Jost Stollmann hat seiner Firma Compunet vollkommen den Rücken gekehrt.1996 verkaufte er den EDV-Dienstleister an General Electric.1984 mit 500 000 DM gegründet, wuchs der Compunet-Umsatz auf fast zwei Mrd.DM 1997 mit 2700 Beschäftigten.Doch Stollmann hatte "keine Lust auf Konzern" und Integrationsarbeit für den neuen Eigentümer.Er schied aus.Seitdem entwickelte er eine Lernsoftware für Kinder - bis das Telefon klingelte und Gerhard Schröder am Apparat war.

ANDREAS HOFFMANN

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